Der Koenig geht tot
war noch nicht gestillt. »Und was gibt es noch für Unstimmigkeiten bei euch?«
»Nun, der Bernhard Schnell ist ja selbst auch ein Problem. Inzwischen hat sich herumgesprochen, daß er mit der Moni König angebändelt hat, und das macht natürlich einen seltsamen Eindruck. Zum einen, weil manche es so hinstellen, als hätte er dem Wilfried die Chance genommen, seine Ehe wieder zu kitten. Zum anderen, weil es einfach einen unguten Beigeschmack hinterläßt, daß er vor dem Unfall einen heftigen Streit mit Wilfried hatte. Da liegen unausgesprochene Verdächtigungen in der Luft. Das spürt Bernhard, und das macht die Sache nicht gerade angenehm.«
Max nickte stumm. »Traust du dem Schnell so etwas zu? Ich meine, daß er den König vorsätzlich umgebracht hat?«
»Vorsätzlich?« Jupp drehte seinen Kopf einen Moment lang zur Wand. »Was heißt schon vorsätzlich? Vielleicht haben sie sich geprügelt, und dabei ist das Unglück dann passiert. Bernhard Schnell kann es gewesen sein, genau wie andere es gewesen sein können.« Jupp blickte Max einen Moment an. »Gut, Bernie ist in gewisser Weise ein Heißsporn. Er gerät sicher schneller außer Kontrolle als so manch anderer. Aber im Grunde seines Herzens ist er ein guter Kerl.«
»Gibt es sonst noch Turbulenzen?«
Jupp legte die Hand an die Stirn zum Zeichen, daß ihm alles zuviel wurde. »Tatsächlich geht noch ein weiteres Gerücht um«, erklärte er gepreßt. »Kurt Wiesner, unser Schriftführer, behauptet, irgend etwas stimme mit Jürgen Hebels Kassenführung nicht.«
Jupp bemerkte nicht, daß Max keineswegs überrascht war.
»Natürlich glaube ich nichts, solange ich nicht Klarheit habe. Aber jetzt stell dir vor, wer dieses Gerücht aufgebracht hat!«
Max machte sich gar nicht die Mühe, darauf zu antworten.
»Wilfried König!« stöhnte Jupp. »Der König hat das über unseren Kassenwart gesagt.«
Jupp sagte eine Weile gar nichts. Dann murmelte er: »Scheiße, Scheiße, Scheiße nochmal!«
»Bist du müde?« Max lehnte sich nach vorne, um Jupp ansehen zu können.
»Ach, diese Mist-Bandscheibe!« schimpfte Jupp. »Seit Monaten liege ich nun schon weitgehend flach. Die Operation hat es nicht gebracht. Die Reha hat es nicht gebracht. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt wieder richtig auf die Beine komme.«
Im selben Moment hörte Max einen Schlüssel in der Haustür. Durch die geöffnete Wohnzimmertür sah er Gerda ins Haus kommen, Jupps Frau. Sie trug einen Einkaufskorb am Arm und sah mit ihrer Kurzhaarfrisur unglaublich flott aus. Max stand auf, um sie zu begrüßen.
»Max, wie schön, daß du uns besuchen kommst!« freute sie sich und nahm Max herzlich in den Arm.
»So wird man wenigstens nicht ganz vergessen!« meckerte Jupp aus seiner Couch heraus.
»Du und vergessen«, meinte Gerda. »Dir laufen doch die Leute das Haus ein, und das schon seit Monaten.« Dann wandte sie sich wieder an Max. »Aber über deinen Besuch freuen wir uns natürlich immer ganz besonders.«
Gerda ging auf Jupp zu und streichelte ihm über die Wange. »Du bist müde, was? Laß mich raten! Habt ihr schon wieder über Wilfried König gesprochen?«
»Die Sache ist ja nun auch wichtig!« verteidigte er sich unwirsch.
»Sicherlich!« konterte Gerda. »Aber ich glaube nicht, daß du mit deiner Krankheit besonders gut geeignet bist, dich um diese Sache zu kümmern!«
Jupp zog sich die Wolldecke bis zum Kinn.
»Für den Außendienst habe ich ja den Max!« sagte er und grinste dann verschmitzt wie ein kleiner Junge.
14
Der Mittwochmorgen war für mich immer der reine Horror. Sechs Stunden Unterricht mit nur einer Freistunde dazwischen, in der siebten außerdem die 8c. Für den Unterricht in dieser Klasse hätte man an sich schon drei Freistunden als Ausgleich verdient. Daran konnte auch die zeitliche Nähe zu den Sommerferien nichts ändern. All das bedeutete den Total-k.o. um zwei Uhr mittags. Ich saß, wie jede Woche um diese Zeit, in einem Zustand körperlicher und geistiger Zerstörtheit im Lehrerzimmer, als Leo auf mich zusteuerte.
»Na, muß ich Wiederbelebungsversuche starten?«
»Danke, auch das wird nichts nützen«, murmelte ich. »Ich wünsche übrigens eine Trauerfeier im engsten Familienkreis.«
»Jetzt laß dich nicht so hängen! Vielleicht wird der nächste Stundenplan besser!«
Das munterte mich auf. Dies war der letzte richtige Schultag vor den Ferien gewesen, und nach der Sommerpause wurden die Karten neu gemischt.
»Komm, laß uns zum Chinesen gehen!«
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