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Der Koenig geht tot

Der Koenig geht tot

Titel: Der Koenig geht tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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zu der Uniform. Sein faltig gegerbtes Gesicht erschien plötzlich so verwechselbar. Streiter war ohne seinen grünen Anzug ein unscheinbarer Mann, der mit großen Schritten auf die Rente zuging.
    »Guten Morgen!« grüßte der Schützenoberst freundlich. »Na, da wird sich unser Invalide aber freuen, daß er noch mehr Besuch bekommt.«
    Max hörte von drinnen heftigen Widerspruch: »Wart’s ab, Gerd!« brüllte Jupp Baumüller. »Wenn ich wieder auf den Beinen bin, leg ich dich aufs Kreuz! Daß du es nur weißt!«
    »Wo ist denn der Schwerkranke?« fragte Max und machte einen Schritt hinein.
    »Er flegelt sich schon wieder auf der Wohnzimmercouch herum«, flachste Streiter. »Da gefällt es ihm so gut, daß er gar nicht mehr aufstehen will. Wahrscheinlich spielt er nur den Kranken, damit er in Ruhe die Fernsehprogramme gucken kann, die Gerda ihm sonst nicht erlaubt.«
    Streiter führte Max ins Wohnzimmer, wo Jupp unter einer Wolldecke auf dem Sofa lag.
    »Glaub ihm kein Wort, Max!« schimpfte er. »Der alte Neidhammel stänkert nur herum, weil er gleich zur Arbeit muß, während ich Frührentner mich hier vor Schmerzen krümme.«
    Sehr eilig schien Streiter es jedoch mit seiner Arbeit nicht zu haben. Jedenfalls ließ er sich zunächst nochmal auf einer Sessellehne nieder, um den Schlagabtausch fortzusetzen.
    »Sieh nur zu, daß du Frührentner langsam auf die Hufe kommst!« palaverte er. »Unsere Bruderschaft braucht dich im Moment dringender denn je.«
    »Jaja, das weiß ich selbst!« Jupp Baumüller zog sich seine Wolldecke zurecht. »Aber was nicht ist, das ist nicht. Ich kann nicht hexen. So ein Bandscheibenvorfall, der braucht seine Zeit. Du kannst mir glauben, ich hätte am Wochenende lieber in der Halle gestanden, als hier auf dem Sofa rum zu liegen.«
    »Wie sieht’s denn aus im Verein?« erkundigte Max sich beiläufig. Er hatte sich inzwischen auf dem zweiten Sessel niedergelassen und schlug die Beine übereinander.
    »Wilfrieds Tod wirbelt einfach alles durcheinander«, erklärte Jupp. »Es ist eine große Unsicherheit da. Jeder spekuliert, ob es sich tatsächlich um Mord handeln könnte. Dabei werden Verdächtigungen und Anschuldigungen gemacht, die nicht Hand und Fuß haben.«
    »Es wäre das beste für alle, wenn sich langsam Ruhe einstellen würde.« Gerhard Streiter machte ein denkbar besorgtes Gesicht. »Wenn sich zum Beispiel herausstellen würde, daß Wilfried durch einen Unfall ums Leben gekommen ist …«
    »Wenn es ein Unfall war, wäre das sicher das beste«, antwortete Max trocken. »Aber wenn es kein Unfall war, ist die weitere Ermittlung die bessere Möglichkeit.«
    »Ich bin der letzte, der das verhindern will«, beeilte Streiter sich zu sagen. »Immerhin ist Wilfried mir wie mein eigener Sohn gewesen. Ich habe ihn nach dem Tod seiner Eltern bei mir aufgenommen und war immer wie ein Vater für ihn. Da kann man sich vorstellen, wie ich mich jetzt fühle.« Streiters Stimme wurde brüchig. Er schien mit den Tränen zu kämpfen. Max ärgerte sich, daß er es so weit hatte kommen lassen.
    »Ich muß dann jetzt los!« Streiter fuhr sich fahrig mit dem Handrücken über die Augen. »Jupp, ich komme die Tage wieder vorbei. Macht’s gut zusammen!« Ein paar Sekunden später schloß sich die Haustür hinter ihm. Max saß etwas betreten da.
    »Gerd hat schon recht«, sagte Jupp. »Je eher die Sache geklärt ist, desto besser für alle Beteiligten. Dieser Fall und die damit verbundenen Befragungen lösen viel Ärger zwischen den Schützenbrüdern aus. Ich weiß gar nicht, ob man das nachher wieder kitten kann.«
    Max runzelte die Stirn. »Worum geht es denn konkret?«
    Jupp schien nicht zu wissen, wo er anfangen sollte. »Da hat zum Beispiel Alfons Reckert bei irgendeiner Gelegenheit gesagt, Wilfried König habe demnächst Fahnenoffizier werden sollen.«
    »Ja, das hab ich selbst mitgekriegt«, bestätigte Max. »Das war bei der ersten Befragung am Sonntag.«
    »Ja, und der Bernhard Schnell, unser Fähnrich, macht daraus jetzt eine große Sache. Er stellt sozusagen die Demokratie unserer Bruderschaft in Frage«, grunzte Jupp. »Ich weiß selbst nicht, was den Reckert geritten hat, so eine Aussage zu machen. Der Vorstand hat darüber nie gesprochen. Wahrscheinlich wollte er nur bekräftigen, daß der Wilfried ein beliebter Schützenbruder war, und dann hat er einfach aus der Hüfte geschossen. Ich weiß es auch nicht.«
    Jupp ließ den Kopf fallen und schien auf einmal sehr müde. Doch Max’ Neugier

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