Der Koenig geht tot
schlug Leo vor.
Ich winkte ab. »Gestern Pizzeria, heute Nasi Goreng. Wenn es nach Schwester Gertrudis geht, habe ich aufgrund meines fortgeschrittenen Alters schon jetzt kaum noch Chancen auf eine Eheschließung. Wenn ich jetzt auch noch dick werde, ist alles aus.«
»Schwester Gertrudis!« Leo grinste. »Bis zu deiner Ankunft war ich ihr Lieblingsopfer in Verkupplungsangelegenheiten. Ich bin froh, daß du diese Rolle jetzt übernommen hast.«
»Meine Hochzeit ist nur eins von vielen Themen für Schwester Gertrudis«, erklärte ich. »Darüber hinaus läßt sie sich gerne über Mordtheorien im Fall Stichlingsen aus. Letztes Mal haben wir sachkundig den psychologischen Hintergrund verschiedener Tötungsarten erörtert.«
Ich erzählte Leo von den illustrativen Beispielen, die Schwester Gertrudis parat gehabt hatte.
»Nach dieser Theorie müßte Wilfried König doch erschossen worden sein, oder?« fragte mein Sportkollege. »Zumindest wenn es ein Schützenbruder war.«
»Haben Schützen denn überhaupt noch was mit Schießen zu tun? Ich meine jetzt mal abgesehen vom Vogelschießen.«
»In manchen Vereinen ist durchaus eine Schießsportabteilung beheimatet«, erklärte Leo. »Ob das bei den Stichlingsern der Fall ist, weiß ich allerdings nicht.«
Leider konnten wir die Sache nicht näher beleuchten, denn Leo entschloß sich, auch ohne mich zum Chinesen zu gehen. Ich dagegen entschied mich für eine Dosensuppe und machte mich auf den Weg zum Supermarkt. Ich parkte den Wagen hinter der neuen Post und schlenderte in den nahegelegenen Einkaufsmarkt.
Als ich an der Obstwaage die Taste für Pfirsiche suchte, entdeckte ich neben mir ein bekanntes Gesicht: Moni König. Sie lächelte schwach, als sie mich anblickte. Offenbar erkannte sie mich wieder.
»Hallo!« grüßte ich vorsichtig. »Wie geht’s?« Die Frage war dämlich, da Moni König aussah, als hätte sie in den letzten Tagen zehn Kilo abgenommen. Sie war blaß und wirkte sehr hager.
»Wie soll’s mir schon gehen?« fragte sie verbittert zurück, während sie ihren Beutel mit Paprika zuknotete. »Wie fühlt man sich, wenn man vom halben Dorf verdächtigt wird, seinen Mann umgebracht zu haben?«
»Sie machen Witze!«
»So kommt es mir jedenfalls vor!« Moni schluckte einen Kloß im Hals hinunter und senkte ihre Stimme. »Wo ich auftauche, habe ich das Gefühl, argwöhnisch betrachtet zu werden. Außerdem taucht ständig die Polizei mit neuen Fragen auf. Ich habe kein Alibi. Ich bin erst spät zum Schützenfest gegangen und hätte zur Tatzeit mit Wilfried Zusammensein können. Aber was kann ich dafür, daß ich kein Alibi habe? Hätte ich es vorher gewußt, wäre ich natürlich eine halbe Stunde eher zum Fest gegangen, um bloß keinen Verdacht aufkommen zu lassen.«
»Wahrscheinlich hat die Polizei nicht viel an der Hand«, versuchte ich zu erklären. »Vermutlich versuchen die, möglichst viel von Ihnen über Wilfried zu erfahren.«
»Ach, was kann ich denen denn schon sagen? Wir haben doch schon lange gar nicht mehr richtig miteinander gesprochen. Selbst vor Wilfrieds Affäre nicht, weil er fast nur noch gearbeitet hat. Er war praktisch nie zu Hause. Wenn er für die Firma im Osten war, dann habe ich ihn oft eine ganze Woche nicht gesehen.«
»Ich denke, Ihr Mann hat bei Osterfeld gearbeitet! Die Firma ist doch am Ort!«
»Ja, schon, aber eine zweite Niederlassung ist in Döbern entstanden, in der ehemaligen DDR. Da mußte Wilfried häufig hin, um die Produktion mitzuorganisieren.«
Ich stand einer Kundin im Weg, die sich ärgerlich vorbeiquetschte. Moni und ich gingen einen Schritt zur Seite.
»Ich habe gehört, daß Ihr Mann Schützenkönig werden wollte«, versuchte ich mein Glück. »Können Sie sich vielleicht vorstellen, daß jemand etwas dagegen hatte?«
Moni stutzte etwas und überlegte. »Ich weiß nur«, begann sie dann, »daß Wilfried nicht nur König werden wollte, um mir damit eine Freude zu machen wobei das allerdings der Hauptgrund war. Der Kerl glaubte wirklich, vor lauter Seligkeit würde ich alles vergessen, wenn ich erst Königin wäre. Aber was eben auch eine Rolle spielte, war, daß er als König in den Schützenvorstand reinwollte.«
»Das klingt interessant«, sagte ich nachdenklich. »Hatte das einen besonderen Grund?«
»Es hatte wohl einen«, Moni kaute auf ihrer Unterlippe. »Aber so ganz genau weiß ich den auch nicht. Als er einmal zuviel getrunken hatte, meinte er, es müsse sich einiges ändern in St.
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