Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Vorhänge, nimm deinen Leuchter und mach die Tür von außen zu.«
Und Angélique gehorchte, und noch hinter der geschlossenen Tür hörte sie Gekicher. »Meiner Treu«, sagte sie sich, »es wäre doch verflixt, wenn aufs Kichern nicht bald das Stöhnenfolgen sollte.« Und ich vernahm all dies von Herzen froh und erleichtert, denn es war das erstemal seit dem Brief an Mirabel, daß Ludwig wieder mit seiner Gattin schlief.
***
Ein so guter Katholik ich auch bin, kann ich es doch schlecht hören, wenn unsere Frömmler andauernd von der »Verdamm nis « reden, als wollten sie dem Urteil des Herrgotts vorgreifen, und wenn sie andererseits immer von der »Vorsehung« faseln, als ob sie im voraus wüßten, was diese beschließen mag.
In einem Fall jedoch will ich einräumen, daß unsere Frömmler wohl nicht fehlgingen, wenn sie
urbi et orbi
verkündigten, der Gewitterregen, der des Königs Reise nach Saint-Maur verhinderte und ihn Zuflucht bei der Königin suchen ließ, sei das Werk der »Vorsehung« gewesen. Und völlig überzeugt war ich hiervon, als ich am dreißigsten Januar 1638 die »Gazette« des Theophraste Renaudot aufschlug und las, daß Ihre Majestät die Königin guter Hoffnung sei.
In ganz Frankreich war die Freude groß, wenngleich mit einer Furcht gemischt, die niemand auszusprechen wagte, waren seit einundzwanzig Jahren doch sämtliche Schwangerschaften der Königin gescheitert. Würde sie diesmal ihre Frucht glücklich bis zum Ende austragen? An allen Ecken und Enden Frankreichs stiegen glühende Gebete gen Himmel, an den Herrn Jesus gerichtet die einen, die anderen an die Jungfrau Maria, auf daß die Königin diesmal auch wirklich niederkomme, und niederkomme mit einem Sohn.
Die Gebete wurden erhört, und dies galt den Frömmlern denn als der unwiderlegliche Beweis, daß jener Gewitterregen wahr und wahrhaftig das Werk des Allmächtigen gewesen war. Weshalb das Knäblein den Namen Louis Dieudonné erhielt: Ludwig, der von Gott Geschenkte.
Wahrhaftig, es war ein pausbäckiger und wohlgestalter Säugling mit allem Drum und Dran. Und nachdem die Ammen ihn ausgiebig untersucht und betätschelt hatten, kamen sie zu dem Schluß, daß dieser, »was die Damenwelt angeht, mehr nach seinem Großvater kommen werde denn nach seinem Vater«. Zwar wurde es
sotto voce
gesagt, aber am nächsten Tag war die Prophezeiung, Gott weiß wie, am ganzen Hof herum.
»Mein Freund«, sagte Catherine bei unserem Kopfkissenplausch, »ich verstehe ja das Glück der Königin, daß sie ihre Frucht hat austragen können, und auch, wie erleichtert Ludwig ist, endlich einen Dauphin zu haben, der die Zukunft der Dynastie sichert. Aber daß um diese Geburt ein so unerhörtes Aufheben gemacht wird, daß sogar im Ausland unsere Feinde sich drum betrüben und unsere Freunde sich beglückwünschen, das verstehe ich nun nicht.«
»Mein Lämmchen, die Antwort auf Eure Frage ist ein einziger Name: Gaston.«
»Gaston?«
»Ja, Gaston! Der Mann aller Intrigen und allen Verrats. Vor der Geburt des kleinen Louis Dieudonné war Gaston der Thronerbe und als solcher eine beträchtliche und umworbene Größe im Reich. Doch was machte er daraus? Er lebte in den Tag hinein, von Zeit zu Zeit verließ er heimlich den Hof und ging in feindliche Länder, nach Lothringen oder in die spanischen Niederlande, die natürlich frohlockten, daß die königliche Familie uneins war, und darauf spekulierten, daß Gaston, wenn er seinen Bruder eines Tages auf dem Thron ablöste, sich ihrer Politik gefälliger zeigen werde. Auf Ludwigs Briefe, die ihn zur Rückkehr aufforderten, antwortete er mit Forderungen nach Gold und Vergünstigungen. Meine Liebe, stellt Euch vor, was für ein Trauerspiel wir erlebt hätten, wenn der Dauphin nicht zur Welt gekommen wäre und Gaston nach Ludwigs Tod den Thron bestiegen hätte! Nichts wäre geblieben von dem geduldigen Aufbauwerk des Königs und des Kardinals. Obwohl Gaston nicht dumm ist, interessiert ihn doch nichts anderes, als mit seinen fröhlichen Zechbrüdern und willigen Damen zu faulenzen. Und da das Reich ihm von jeher gleichgültig war, hätte er es wahrscheinlich wie seine Mutter nach Henri Quatres Tod gemacht: Er hätte sich den königlichen Schatz der Bastille geholt und ihn in kurzer Zeit verpraßt. Erstorben wäre jeglicher kämpferische Geist, und wir müßten uns einem schändlichen Frieden mit Spanien unterwerfen.
Was aber bleibt Gaston jetzt übrig? Vor Verdruß, daß er weder im In- noch im Ausland mehr
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