Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
nicht mit großem Verstand gesegnet war, sich nicht in der einfachsten Lage befand. Sein Herzogtum war von mächtigen Staaten umschlossen: im Norden die spanischen Niederlande, im Osten Österreich und seine Vasallen, im Westen Frankreich. Er konnte nicht der Freund einer dieser starken Nationen sein, ohne gleichzeitig der Feind der beiden anderen zu sein. Deshalb war seine Treue so unzuverlässig und wechselhaft. Bislang hatte es der Herzog mit den Kaiserlichen gehalten, heute nun bevorzugte er unsere Hand, weil sie ihn stärker dünkte und mithin besser geeignet, ihn zu schützen.
Ich war so ungeduldig, Catherine die gute Nachricht vom Frieden zu vermelden, daß ich an jenem Tag nur kurz bei der Prinzessin von Guéméné verweilte, was diese übelnahm undmir zum Abschied den täglichen Kuß vorenthielt, der vom anfänglichen Wangenkuß, wie mir schien, sich mehr und mehr den Lippen näherte. Trotzdem machte ich mir diese Verweigerung nicht heuchlerisch zum Tugendsieg, mein Wille konnte wahrlich nichts dafür.
Sowie ich Catherine sagte, daß der Krieg nicht stattfinde, umschlang sie mich mit aller Kraft, Tränen liefen über ihre Wangen, und sie sprach einen Satz, der mir noch heute in den Ohren klingt.
»Mein Freund!« sagte sie, »welch eine Freude und Erleichterung, daß Frieden ist! So könnt Ihr, Gott sei Dank, weder getötet noch untreu werden!«
Ich muß gestehen, daß es mir nie in den Sinn gekommen wäre, Tod und Untreue in einem Atemzug zu nennen. Anscheinend denkt eine Frau hierin anders.
In meiner Eigenschaft als Herzog und Pair war ich am 21. März zur Unterzeichnung des Vertrags zwischen Ludwig und Karl von Lothringen nach Saint-Germain-en-Laye eingeladen. Es gab, wenn ich so sagen darf, zwei Unterzeichnungen dieses Vertrags: eine weltliche und eine geistliche. Die zweite verwunderte mich sehr, denn von einer solchen Prozedur hatte ich noch nie gehört. Die erste wurde von beiden Seiten mittels einer Feder auf Pergament geleistet. Die zweite, ganz unerwartete hatte nach der Vesper in der Schloßkapelle in Gegenwart des Königs, der Königin und des Kardinals sowie einiger Herzöge und Pairs statt, darunter ich. Der König kniete auf einem Samtkissen, ihm gegenüber ebenso der Herzog von Lothringen. Nach beendeter Andacht trat Monseigneur Séguier, Bischof von Meaux, Bruder des Kanzlers und erster Almosenier des Königs, mit der Bibel in der Hand vor Ludwig. Der König küßte das heilige Buch, Herr von Meaux hieß ihn auf die Bibel dem Herrgott geloben und versprechen, den mit dem Herzog von Lothringen geschlossenen Vertrag unverletzlich einzuhalten. Und nachdem der König dies gelobt hatte, hielt Herr von Meaux die Bibel dem Herzog von Lothringen hin, auf daß er denselben Schwur leiste. Danach erst wurde der Segen erteilt.
Als ich Fogacer wiedersah, fragte ich ihn nach dem Grund der ungewohnten Prozedur.
»Ich weiß ihn nicht«, sagte Fogacer, »kann ihn mir aber vorstellen. Der Herzog von Lothringen hat seine Zusagen so oftgebrochen, daß Richelieu ihn diesmal durch einen religiösen Eid binden wollte; der Herzog ist fromm und fürchtet die Hölle.«
***
»Bitte, Monsieur, nur zwei Worte! Wurde der Vertrag zwischen Frankreich und Lothringen vor oder nach der Schlacht von La Marfée geschlossen, wo der rebellische Soissons die Königlichen besiegt hatte, jedoch mit seinem Leben den Sieg verlor?«
»Davor, Madame, davor! Der Vertrag wurde am neunundzwanzigsten März 1641 unterzeichnet, und die Schlacht von La Marfée hatte am sechsten Juli desselben Jahres statt.«
»Warum haben Sie dann vor dem Vertrag mit Lothringen über La Marfée berichtet?«
»Liebe Freundin, da zücken Sie nun die Waffe gegen mich. Aber lassen Sie mich zuerst erklären, daß die Schlacht von La Marfée das weitaus bedeutsamere Ereignis von beiden war. Hätte nämlich Graf von Soissons nach seinem Sieg nicht das Leben eingebüßt, wären die Folgen für den König von Frankreich desaströs gewesen.«
»Ist es aber nicht ein Irrtum Ihrerseits, die beiden Ereignisse zeitlich zu vertauschen?«
»Es wäre tatsächlich ein Irrtum, liebe Freundin, wenn Sie ihn nicht aufgedeckt hätten. Und dieses Beispiel zeigt: wenn es Sie, schöne Leserin, nicht gäbe, hätte ich Sie erfinden müssen. Haben Sie noch andere Fragen?«
»O ja. Warum ist dieser Krieg mit Spanien und den Kaiserlichen so endlos?«
»Weil die beiden Gegner, zwar auf unterschiedliche Weise, dennoch gleich stark sind. Die Franzosen sind zahlreicher, dafür
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