Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Frühmahl bereiteten. Was die Marquise anging, ließ sie mich in ihr Zimmer rufen, wo sie, mehr entblößt als bekleidet in ihrem durchsichtigen Nachtgewand, ihre Frisur von einer Kammerfrau richten ließ, die sie bei meinem Erscheinen hinausschickte. Sie fiel mir um den Hals und wollte unbedingt, daß ich sie noch einmal nehme. Was mich sehr rührte, mich aber um das Frühstück brachte, es war nämlich keine Krume davon übrig, als ich mich beim letzten Hörnersignal losriß, und ich mußte mich nüchtern in den Sattel meiner Accla schwingen, denn Karossen waren im Kampfgebiet ans Ende der Armee verbannt.
Mit einiger Verspätung erreichte ich Sigean, wo der König einen Kriegsrat hielt, in Anwesenheit von Charpentier (den der Kardinal gesandt hatte), von Marschall de La Meilleraye und Flottenadmiral de Maille-Brézé.
Dieser Rat, der sich auf die kostbaren, beweiskräftigen und glänzend konzentrierten Darlegungen des Kardinals gründete, war überaus folgenreich. Weil die spanische Flotte zahlreich und gefährlich war, wurde an diesem Tag beschlossen, die französischen Schiffe vom Atlantik durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer zu holen, um sie mit den im Mittelmeer befindlichen zusammenzuführen und dem spanischen Verband einen zahlenmäßig gleich starken gegenüberzustellen. Durch diese hervorragende Entscheidung ließ Philipp IV. sich ebensowenig beunruhigen wie sein Premierminister Olivares, der
urbi et orbi
verkündete, die Franzosen könnten machen, was sie wollen, Spanien werde trotzdem die Herrscherin der Meere bleiben.
Für mein Gefühl taten unsere großen Krieger klug daran, auf diese lautstarken Prahlereien nicht hereinzufallen. Der Leser erinnert sich gewiß noch, wie die Engländer einst schworen, die Franzosen würden ihnen Calais nur nehmen, wenn Blei auf dem Wasser schwömme. Kürzlich schrien die Spanier, die Franzosen könnten ihnen Arras erst dann nehmen, wenn die Mäuse Katzen fräßen … Arme Katzen, sie sind gefressen worden. Und unsere Flotte vor Perpignan hat die spanische Flotte besiegt.
ZEHNTES KAPITEL
Der König und Marschall de La Meilleraye beschlossen, erst einmal Collioure zu belagern und einzunehmen, bevor man zur Belagerung von Perpignan schreiten würde, und weil Collioure südlich von Perpignan liegt, mußten wir die Stadt in weitem Bogen umgehen, ehe wir unser Ziel erreichten.
Wer nun glaubte, Collioure würde auf einen Happs zu nehmen sein, sah sich getäuscht. Denn war auch die Stadt selbst wenig geschützt und leicht zu besetzen, verhielt es sich mit der Burg anders. Aus starken Steinblöcken auf felsigem Gelände erbaut, schien ihr zinnenbewehrtes Mauerwerk keinerlei Angriffspunkt zu bieten. Außerdem war sie gut mit Artillerie bestückt und hielt uns durch anhaltendes Feuer auf Abstand. Wie ich hörte – doch kann ich nicht versichern, daß es wahr ist –, wurde sie einst von den Katalanen erbaut, um den maurischen Piraten Schach zu bieten, die räuberisch in die Mittelmeerhäfen einfielen und große Beute an Gold, Kleinodien, Lebensmitteln und Frauen fortschleppten.
Kurios, daß derjenige, der uns in dieser Lage Rat wußte, ausgerechnet der eine meiner beiden Wagner war. Wir machten uns viel Kopfzerbrechen um nichts, meinte er, denn wie er die Sache sehe, könne man jeden Stein, sei er auch noch so hart, mit Geduld und Muskelkraft bezwingen.
Diese Meinung wiederholte ich dem Marschall de La Meilleraye. Er wandte ein, daß es ja nicht allein darum gehe, ein Loch in die Mauer zu brechen, man müsse auch wissen, was dahinter sei und ob der Durchbruch die Mühe lohne.
Hierauf schickte er bei Nacht zwei seiner Spezialisten aus, die in ihren Regimentern die Gespenster hießen, weil sie die Kunst beherrschten, sich lautlos überall einzuschleichen. Von Kopf bis Fuß schwarz vermummt, untersuchten sie eine ganze Nacht die äußere Mauer der Burg, die sie übrigens sehr unzureichend bewacht fanden, die Belagerten hatten sich nämlich begnügt, die Tore zu schließen, doch ohne daß sie zur NachtPatrouillen nach draußen schickten, um eine Annäherung an die äußere Mauer zu verhindern.
Unsere beiden Gespenster konnten sich also Zeit lassen und erforschten Schritt für Schritt die Mauer mit angelegtem Ohr, bis der eine jäh innehielt und seinem Gefährten atemlos zuflüsterte: »Horch mal, Alter, mir scheint, ich höre auf der anderen Mauerseite ein Plätschern.«
Der »Alte« horchte und sagte: »Stimmt, und ich könnte schwören, daß dieser lausige
Weitere Kostenlose Bücher