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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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selbst gesehen. Abt Sigwards Freundlichkeit zu seiner ehemaligen Wirtschafterin war die eines Herrn zu seinem Lieblingshund. »Aber Ihr habt ihm weiter gedient?«
    Wieder war der Mann verwundert. »Er war mein Herr. War nich seine Schuld, nich Hildas Schuld und auch nich meine. Es war, wie’s war. Wir waren Gesinde, versteht Ihr? Gute Diener, guter Herr, einer dem anderen treu.«
    »Verstehe.« Aber Adelia wusste, dass sie es nicht verstand. Sie war außerhalb des Feudalsystems aufgewachsen und würde diese Bindung zwischen den Ständen nie begreifen, der eine herrschend, der andere dienend, beide einander billigend, eine Tradition, die seit Jahrhunderten währte und beiden ihren Platz zuwies, ein System, das grässlich missbraucht werden konnte und das doch in seiner besten Ausformung – wie etwa in Sigwards Haus, ehe er ein Mann Gottes wurde – eine Art von Liebe ermöglichte.
    »Und sein Sohn?«, fragte sie. »Habt Ihr ihn geliebt?«
    Jetzt bereitete sie ihm Schmerzen. Godwyn brachte in einer gequälten Grimasse seine Zähne zum Vorschein und drückte die geballten Fäuste dagegen. Aber er war machtlos. Wenn diese Fremde, die da vor ihm stand, seine Frau retten sollte, musste er diese Folter ertragen.
    »Hat mir leid getan«, sagte er. »War ein trauriges Kerlchen. Genau wie seine Ma, bis sie gestorben is. Hatte immerzu Angst. Ich hab ihn auf sein erstes Pony gesetzt, und schon dabei hatte er Angst. Ganz anders als sein Pa. Der hat sich vor nix und niemandem gefürchtet, der Herr. Aber der Junge war …« Godwyn suchte nach den richtigen Worten. »Der hat Blumen gemocht, zum Beispiel, und gemalt und gelesen und so. Aber geheult hat er nie, das muss man ihm lassen. Er hat jedes Mal gekotzt, wenn der Herr ihn mit auf Jagd genommen hat, aber er musste mit, und er is mit, keine Widerrede.«
    »Musste er auch Kreuzfahrer werden?« Wieso bohre ich immer weiter nach?, fragte sie sich. Doch der Antrieb dazu schien nicht einfach nur aus ihr selbst zu kommen, sondern von den Skeletten hinter ihr, als drängten sie sie dazu.
    Sie war zu weit gegangen. Godwyns Augen suchten nach einem Ausweg.
    Adelia nahm seine Hand. »Ich werde mich für sie einsetzen, Godwyn. Und der Bischof ebenso, das verspreche ich Euch.« Das war sie diesem unvollkommenen, seltsam wunderbaren Mann schuldig.
    Der Wirt nickte, nahm dann seine Kappe ab und drückte sie sich an die Brust, eine so unterwürfige Geste, dass ihr fast die Tränen kamen. »Ich geh dann mal das Boot klarmachen«, sagte er.
    Sie sah ihm nach, wie er zur Anlegestelle ging, eine plumpe, unauffällige Gestalt vor dem Rosa und Gold einer aufgehenden Sonne.
    Sie wandte sich um. Es blieb nicht viel Zeit, und sie musste es
jetzt
wissen. Trotzdem kniete sie sich kurz neben Guineveres Katafalk nieder, ehe sie das Tuch herunterriss und die obere Hälfte des Skelettes von der unteren abrückte, sodass wieder die schauerliche Lücke entstand, wo der Beckengürtel hätte sein sollen. Dann begann sie mit raschen Bewegungen, die Knochen aus der Kiste dort einzusetzen.
    Einige waren stark zersplittert, andere dagegen hatten den Angriff fast unversehrt überstanden. So passte beispielsweise der Kopf des rechten Oberschenkelknochens vollkommen in die Höhlung der Hüftgelenkspfanne. Das Rückgrat war glatt durchtrennt worden, und die drei zusammengewachsenen unteren Wirbelknochen fügten sich so nahtlos an das übrige Kreuzbein an, dass sie ganz offensichtlich zusammengehörten.
    Adelia trat zurück und betrachtete ihr Werk. Guinevere war zweifelsohne wieder ein Ganzes. Die Knochen passten. Das war das richtige Becken, endlich wieder an seinem richtigen Platz.
    Und doch war es das falsche.
    Sie machte Messungen, benutzte das Schwert als Lineal, indem sie Markierungen in seine schwarze Patina kratzte. Sie betrachtete die Hüftknochen, die, obwohl sie zertrümmert waren, doch noch deutlich steile Darmbeinschaufeln aufwiesen. Sie schob Arthurs Tuch beiseite, diesmal ohne sich zu entschuldigen, und nahm weitere Messungen vor, verglich seinen Schambogen mit dem, den sie aus der Kiste geholt hatte.
    Zurück zu Guinevere.
    Schließlich war sie sicher; ein Irrtum blieb ausgeschlossen. »Das also hast du versucht, mir zu sagen«, murmelte sie sanft.
    Guinevere war männlich.
    Sie deckte die Skelette wieder zu und setzte sich auf den Boden, lehnte den Kopf gegen Arthurs Katafalk.
    Zwei Männer. Zusammen begraben. Beide getötet, einer brutal im Geschlechtsbereich verstümmelt. Vor zwanzig

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