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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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»Wollte sie ja nich zu den Aussätzigen stecken«, sagte er.
    Adelia fing zu laufen an, scheuchte im Rennen verschreckte Schafe beiseite. Gott sei Dank, Gott sei Dank! Ein dünner Rauchfaden stieg von einer Feuerstelle auf.
    Da war ein Bach, und ein kleines, schmutziges Kind in Lumpen baute mit Ästen einen Damm hinein. Adelia sprang über den Bach, riss den Jungen im Laufen hoch und überhäufte ihn mit Küssen.
    Eine Vogelscheuche von einer Frau erschien in der Tür der Hütte, die Augen mit der Hand abgeschirmt. Dann fiel sie auf die Knie wie eine Marionette, deren Fäden unversehens durchtrennt worden waren.
    Adelia hob auch sie auf, umarmte beide so fest, dass Pippy fast zerquetscht wurde. »Jetzt ist alles gut, Em, du liebes, liebes Ding! Alles wird wieder gut.«
     
    Von den drei Ausgesetzten war Roetger in der schlechtesten Verfassung, erschien ausgezehrt und fiebrig. »Er war so tapfer, Delia«, sagte Emma unter Tränen. »Ohne ihn wären wir gestorben.«
    Auf dem Rückweg zur Anlegestelle musste er sich auf einer Seite auf eine Krücke und auf der anderen auf Rowley stützen. Godwyn bot seine Hilfe an, doch Emma fauchte: »Komm uns nicht zu nahe, komm uns ja nicht zu nahe!«
    »Godwyn hat euch das Leben gerettet«, sagte Adelia sanft zu ihr.
    »Ist mir egal. Er soll wegbleiben.«
    Immerhin konnte der Wirt sie um das Dorf herumführen, sodass sie sich dem Kahn von einer anderen Seite näherten und ihnen die Bilder des Elends auf der Dorfstraße erspart blieben. Sie nahmen einen Pfad, der hinter den Hütten verlief, als aus Richtung der Anlegestelle ein Schrei ertönte.
    Noch mehr Stimmen wurden laut. Godwyn lief los. Eingeschränkt, wie sie waren – Adelia trug noch immer Pippy –, konnten die anderen nicht mit ihm Schritt halten.
    Die Kirchenglocke begann zu läuten, feierliche, einzelne Schläge, die einen Tod verkündeten.
    Jetzt konnten sie den Kahn sehen. Er war leer. Godwyn war auf dem Steg, wehrte sich gegen zwei Männer, die ihn zurückhielten. Er heulte und schrie.
    Verwirrt blickte Adelia in die Richtung, in die die Leute verzweifelt zeigten.
    Rowley sagte: »Heilige Maria, sei uns gnädig.«
    Die hohe Gestalt von Abt Sigward, durch die Ferne verkleinert, schritt hinaus in den Sumpf. Er hatte einen Arm um Hilda gelegt, die sich an ihn klammerte, während er sie stützte. Ihre Füße ließen das Wasser der nahenden Flut aufspritzen.
    Rowley fragte einen der Männer in der Nähe: »Können wir nicht hinter ihnen her?«
    »Geht nich«, sagte der Mann – er weinte. »Treibsand. Gott sei ihnen gnädig!«
    Sie konnten nur zusehen. Die Glocke schlug weiter. Die beiden Gestalten waren jetzt bis zu den Knien im Wasser, doch der Abt drängte immer weiter vorwärts, trug die Frau beinahe, die an ihm hing.
    Plötzlich, als hätte irgendetwas ihre Beine gepackt, blieben sie wie angewurzelt stehen und sanken, ganz, ganz langsam, bis nur noch ihre Schultern über der steigenden, sich kräuselnden Flut zu sehen waren. Der Abt hievte die Frau hoch, sodass ihr Kopf auf einer Höhe mit seinem war, und etwa eine Minute lang – die wie eine Ewigkeit schien – verharrten sie so.
    Zuletzt hob sich der Arm des Abtes, der sich als Umriss vor einem metallisch blauen Himmel abzeichnete, und sie hörten seine Stimme über das Wasser schallen.
    »Herr Jesus, Sohn Gottes, sei uns gnädig!«

[home]
Kapitel dreizehn
    G odwyn musste niedergerungen werden, damit er seiner Frau nicht folgte, so als könnte er sie noch immer zurückzerren. Nach einem langen kreischenden Kampf erschlaffte er und sank in die Arme seiner Bändiger, die Augen unverwandt auf die Stelle im Wasser gerichtet, wo Hilda und der Abt verschwunden waren.
    Alle waren starr vor Schreck, die Leprakranken fassungslos. »Aber er war doch glücklich«, sagte einer der Männer wieder und wieder zu Rowley. »Hat uns die Kommunion erteilt und uns gesegnet. Fromm wie immer. Warum hat er das getan?«
    Eine Frau wimmerte: »Was sollen wir jetzt machen? Was sollen wir denn ohne ihn machen?«
    »Es war ein Unfall«, erklärte Rowley ihnen zu Adelias Verblüffung. »Ein Unfall. Er, äh, wollte mit der Frau einen Spaziergang machen. Sie war sehr aufgewühlt, als wir herkamen. Er hat vergessen, dass es da draußen Treibsand gibt.«
    Es war eine aberwitzige Erklärung, aber Rowley hielt an ihr fest, weil es die barmherzigste war, und die Leprakranken erzählten sie sich untereinander weiter, während sie um ihren Wohltäter weinten. Sie klammerten sich lieber daran,

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