Der König und die Totenleserin3
als sich mit dem abzufinden, was sie mit eigenen Augen gesehen hatten.
Das wird er sagen, wenn wir zurückkommen, dachte Adelia, und vielleicht ist es richtig.
Sie trauerte mit Godwyn, trauerte um die beiden Seelen, die ein solches Ende genommen hatten, trauerte mit den Leprakranken, doch jetzt musste sie sich um die drei Ausgesetzten kümmern, die ihre Fürsorge dringend brauchten. Viel schneller, als es der Anstand gebot, verfrachtete sie ihre Schützlinge in den Kahn, aber es dauerte seine Zeit, bis der Bischof von St. Albans dazu bewogen werden konnte, die verzweifelten Menschen an der Anlegestelle zu verlassen. Er hatte eine priesterliche Pflicht gegenüber den Trauernden, und er versprach ihnen, sie nicht ihrem Schicksal zu überlassen.
Godwyn musste man ins Boot tragen. Er sank auf den Platz, den seine Frau eingenommen hatte, und dort blieb er, stumm und ohnmächtig. Es war der Bischof von St. Albans, der sie zurück nach Glastonbury stakte.
Adelia hatte einen Arm um Emma gelegt, die auf der Stelle einschlief, als ob sie, nachdem sie so lange für ihren Sohn und Roetger durchgehalten hatte, jetzt die Verantwortung an jemand anderen abgeben konnte und sich endlich ausruhen durfte. Sie war erschreckend mager. Sie und Roetger hatten Pippy mit den spärlichen Rationen, die Godwyn ihnen heimlich brachte, so gut wie möglich ernährt. Das hatte jedoch Verzicht für sie beide bedeutet. Die Leprakranken waren offenbar hilfsbereit gewesen und hatten angeboten, sie mit Essen zu versorgen, doch Emma hatte sich geweigert, irgendwas von ihnen anzunehmen und sie angeschrien, sie sollten wegbleiben.
Der kleine Lord Wolvercote war zwar völlig verdreckt, aber ansonsten in einer guten Verfassung. Adelia hatte ihn an sich gedrückt, damit er die Tragödie nicht mit ansehen musste, und sosehr ihn die Schreie auch verstört hatten, konnte er die Sache, jung, wie er war, rasch vergessen. Seine einzige Furcht war, dass sie ihn zurück zum »Pilgrim Inn« brachten, um ihn erneut in den unterirdischen Gang zu sperren. »Ich will nicht wieder da ins Dunkle«, sagte er. »Die böse Frau hat Mama Angst gemacht.«
»Du kommst nie wieder in so einen Tunnel, kleiner Mann. Die böse Frau ist fort«, beruhigte Rowley ihn, warf Adelia aber einen fragenden Blick zu.
Sie verzog das Gesicht. »Wir müssen sie zum Gasthof bringen«, sagte sie auf Latein. »Keiner von ihnen ist gesund genug für eine weitere Reise. Roetger ganz sicher nicht.«
Der Kämpe war ihre größte Sorge. Emma war mager, er aber war regelrecht ausgezehrt. Adelia hatte noch nicht gesehen, dass er mit seinem verletzten Fuß auftrat, und sie vermutete, dass er es nicht konnte. Noch schlimmer war, dass er, auch wenn er sich nicht beklagte, offensichtlich nur schwer Luft bekam, was darauf hindeutete, dass er sich eine Entzündung der Lunge zugezogen hatte. »Beeil dich«, flehte sie Rowley an.
»Ich mach, so schnell ich kann, Frau«, keuchte er. »Ich hab zuletzt als Junge einen Kahn gestakt.«
Eigentlich stellte er sich recht geschickt an, aber Adelia kam es so vor, als ob sie schon am Vortag aufgebrochen wären und nicht erst am Morgen, doch als die Anlegestelle von Glastonbury endlich in Sicht kam, hatte die Sonne gerade erst den Zenit überschritten.
Emma schreckte zurück, als sie sah, dass sie zum »Pilgrim Inn« gebracht wurde. »Nicht dahin! Dahin gehen wir nicht zurück.«
»Oh doch«, sagte Adelia. »Master Roetger kann nicht weiter. Schau ihn dir an!«
Als Emma ihn sich genauer ansah, machte ihr Widerstand Panik Platz. »Du musst ihn retten, Delia! Er war unsere Stütze. Diese Briganten auf der Straße hätten uns alle umgebracht, wenn er nicht gewesen wäre. Ich kann nicht … ach Delia, ich kann nicht ohne ihn sein.«
»Bringen wir ihn ins Bett, dann wirst du das auch nicht müssen«, sagte Adelia in der Hoffnung, dass sie die Wahrheit sagte. Es war eine Strapaze, ihre Patienten den Hang hinauf zum Gasthof zu bringen, und sie war erleichtert, als sie Millie sah, die an der Tür des Gasthofes stand und bestürzt von einem zum anderen blickte, während sie die Augen mit einer Hand gegen die Sonne abschirmte.
Es war keine Zeit, Fragen zu beantworten, selbst wenn die Magd sie hätte stellen können, aber Millie, die ein aufgewecktes Mädchen war, erkannte schnell, dass Betten benötigt wurden, und eilte nach oben, um alles vorzubereiten.
»Und Ihr«, sagte Adelia zu Godwyn, »es tut mir leid, es tut mir sehr leid, aber diese Menschen brauchen etwas zu
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