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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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zwinkerte.
    Der Raum kippte weg und zerfiel in einzelne Teile. Da war Wolfs Wald und die Bestie, die auf sie zukam, da war der unterirdische Gang, und sie watete hindurch. Sie sah zwei Gestalten hinaus in das Sumpfland von Avalon schreiten …
    »Gott verdamme Euch, Henry!«, schrie sie. »Ihr habt mich in die Hölle geschickt, und ich bekomme nichts … nichts … Ich habe schreckliche Dinge gesehen, schreckliche, schreckliche Dinge. Ich habe für Euch gearbeitet … aber niemals wieder. Das ist das letzte Mal, dass ich mich aus meiner Heimat reißen lasse … nie wieder, niemals. Ich bin nicht Eure Untertanin. Ihr seid nicht mein König … Ich bin müde, und ich bin arm und will nach Hause.« Sie sank schluchzend in einen Sessel und trommelte mit den Fersen auf den Boden wie ein trotziges Kind.
    Die Stille im Raum war furchtbar.
    Er wird mich umbringen, dachte Adelia. Mir egal.
    Nach einer ganzen Weile öffnete sie widerstrebend die Augen und blickte in Mansurs besorgtes Gesicht. Millie hockte neben ihr, hielt ihre Hand. Im Raum war es still, weil Henry ihn verlassen hatte. Stattdessen stand ein junger Mann neben der Tür, der die Kappe eines Advokaten trug.
    Die Jagdhunde beobachteten sie. Das Schwein furzte mitfühlend. Master Robert goss etwas Wein aus einem Silberkrug in einen Silberbecher. Er durchquerte den Raum, gab ihr den Becher und stützte ihre Hände, während sie trank. Er wirkte gelassen, als würden tagtäglich Leute in Anwesenheit des Plantagenets Wutanfälle bekommen.
    »Der König ist fort, um der Brandmarkung der Ketzer beizuwohnen, Mistress.«
    »Ach ja?«, sagte sie benommen.
    »Dergleichen ist ihm zuwider. Ich fürchte, das hat ihn in eine spöttische Stimmung versetzt.«
    »Ja.«
    »Aber wenn Ihr unserem Master Dickon dort folgen würdet, er führt Euch zu Lady Wolvercote. Master Dickon ist der Advokat, der sie vertritt.«
    Master Dickon nahm seine Kappe ab und schwang sie durch die Luft, während er eine kunstvolle und tiefe Verbeugung machte. »Bitte begleitet mich, Miss. Heiß heute, nicht wahr? Macht einen völlig fertig, die Hitze.«
    Mansur nahm Adelias Arm mit einer Hand und hob den Angelkorb mit der anderen hoch, dann gingen sie, gefolgt von Millie, hinter
     dem Advokaten an den wartenden Bittstellern vorbei und die Treppe hinunter.
    »Willst du wirklich nach Hause?«, fragte Mansur auf Arabisch.
    Während ihres Anfalls hatte sie das gewollt. Sie hatte sich nach Sicherheit gesehnt, der Ruhe im Haus ihrer Zieheltern und der Disziplin der Medizinschule, wo Entscheidungen auf schlichten Tatsachen basierten, wo es keinen moralischen Treibsand gab, wo Gefühle vom Gehirn beherrscht wurden, wo sie ihre unsterbliche Seele nicht aufs Spiel setzen würde, weil sie in Sünde lebte, wo es einen König gab, der sie in Frieden ließ.
    »Willst du?«, fragte sie müde zurück.
    »Ich habe daran gedacht«, sagte er, »aber ich habe Gyltha.«
    Und die habe ich auch, dachte Adelia. Und dich, der du mein Fels bist, und Allie, und einen Mann, den ich liebe und der mich liebt, obwohl es unsere Hoffnung auf Gottes Gnade gefährdet.
    Ach, aber sie war es so satt, dieses Gefühl zu haben, diese Gabe – oder war, es ein Fluch? –, die England ihr aufgezwungen hatte. Ob das besser war, als gar nichts zu fühlen, in diesem Moment hätte sie es nicht sagen können.
    »Du hast ihm Excalibur nicht gegeben«, sagte Mansur.
    »Er hat mir auch nichts gegeben.«
    In Salerno war Adelia nur Advokaten begegnet, die bärtige alte Männer waren und von Gesetzessammlungen und Codices sprachen und von der Summa Azonis, dem römischen Recht, das sie an der Universität von Bologna studiert hatten. Master Dickon war da ganz anders, in England aufgewachsen, jung, ohne besondere Herkunft, aber mit einem hellen Verstand, und im Gegensatz zu den sonstigen Vertretern seiner Zunft wollte er Wissen vermitteln und nicht verschleiern. Als Sohn eines Kahnschiffers auf der Themse hatte er in einer Schule, die von seinem Onkel geführt wurde, Schönschreiben gelernt und als einfacher Schreiber in der Hofkanzlei angefangen, wo er dem Schatzkanzler höchstselbst aufgefallen war, der ihn daraufhin zum Studium des englischen Rechts schickte.
    All das erzählte er ihnen in seinem Londoner Tonfall über die Schulter hinweg, während er sie hinunter in die Eingangshalle führte.
    »Wissen Sie, Mistress, das ist für mich der erste Fall, in dem es um den Erlass zum Recht der Erben geht, und im ganzen Land ist es erst der dritte,

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