Der König und die Totenleserin3
die Äbtissin von Godstow persönlich bekannt ist.«
»Eine gute Frau, Mylord?«, fragte Sir Richard.
»Eine sehr gute Frau.«
»Dann genügt uns das.« Sir Richard blickte auf die nickenden Köpfe um sich herum. »Mylord, wir erklären hiermit, dass der verstorbene Lord Wolvercote rechtmäßig mit der Mutter des Klägers verehelicht war und dass Philip Wolvercote aus ebendieser Ehe hervorgegangen ist, was ihn zum rechtmäßigen Erben aller Wolvercote-Ländereien und Besitzungen macht.«
Master Dickon stieß einen für einen Advokaten ungebührlichen Jubelschrei aus. Adelia und Emma sanken einander in die Arme. Der neue Lord Wolvercote blickte von dem Schrei überrascht von seinem Fadenspiel auf. Die alte Lady Wolvercote blieb in ihrem Sessel. Wütend schleuderte Master Thomas seine Kappe auf den Boden, hob sie wieder auf, setzte sie sich auf den Kopf und begann, beschwörend auf seine Mandantin einzureden, die ebenso gut eine taube, steinerne Statue hätte sein können.
»Die zwei Fragen des Erlasses sind zur Befriedigung der Geschworenen beantwortet worden«, verkündete De Luci. »Dieses Gericht erklärt, dass der Kläger rechtmäßiger Besitzer von Wolvercote Manor ist.« Er erhob sich.
Der schöne Kontraalt schallte über die Wiese. »Ich erkenne weder dieses Gericht an noch sein Urteil. Ihr, De Luci, seid eine Marionette des Plantagenets.«
Über das Raunen der Menge hinweg bat Master Thomas, seiner Mandantin genügend Zeit zu gewähren, um ihre Habe aus dem strittigen Herrenhaus zu entfernen. Doch der Oberste Richter Englands war bereits gegangen.
Master Dickon schob sich durch das Gedränge zu Emma und Adelia. Emma umarmte ihn und küsste ihn auf beide Wangen. Roetger kam angehumpelt, und sie küsste auch ihn, ehe sie zu ihrem Sohn lief und ihn hoch in die Luft schwang. »Wir haben gewonnen, Pippy! Ach, das hast du prima gemacht.«
Master Dickon wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ein- oder zweimal stand die Sache auf Messers Schneide«, sagte er, »aber die Bemerkung der alten Lady Wolvercote, dass sie das Gericht nicht anerkennt, war der Nagel zu ihrem Sarg. Da wusste ich, dass wir es geschafft haben. So was mögen Richter nämlich nicht.«
»Und damit ist alles geklärt?«, fragte ihn Adelia. »Emma hat gewonnen? Sie kann Wolvercote Manor in Besitz nehmen?«
»Wann immer sie es wünscht«, erklärte der junge Mann. »Aber natürlich sollte sie vorsichtshalber Büttel mitnehmen. Und nein, damit ist nicht alles geklärt. Die alte Lady Wolvercote wird das Urteil mit Sicherheit anfechten, die Ehe und die Rechtmäßigkeit des kleinen Erben erneut in Frage stellen. Aber das wird einige Zeit dauern. Bringt uns noch mehr Arbeit.« Master Dickon rieb sich die Hände vor Vorfreude auf die Honorare, die er bekommen würde.
»Dann verstehe ich das alles nicht.«
»Nein, Mistress?« Dickon deutete mit einer schwungvollen Armbewegung auf die Wiese, wo die Menschenmenge sich allmählich zerstreute und die alte Lady Wolvercote noch immer saß und über die Köpfe der um sie gescharten Advokaten hinwegsah, als wären sie Geschmeiß. »Kein Blut auf dem Gras, nicht wahr? Lady Emma war nicht gezwungen, Gewalt anzuwenden, um ihrem Sohn Recht zu verschaffen, ebenso wenig wie die alte Lady Wolvercote Gewalt angewendet hat, um das zu verteidigen, von dem sie meint, dass es ihr gehört. Kein Kampf. Keine Wunden. Nur ein Erlass des Königs. Eine vorläufige Maßnahme, damit der Erbe sein Eigentum in Besitz nehmen kann, während die Advokaten weiter ihre Argumente ins Feld führen. Damit der Frieden erhalten bleibt, versteht Ihr?«
»Ja, ich verstehe.«
»Den Baronen missfällt das natürlich – es schmälert die Macht ihrer Gerichte und macht allgemeingültiges Recht für jedermann zugänglich. Aber sie sind nicht gewillt, deswegen zu den Waffen zu greifen, Gott sei Dank. Oh ja, unser Henry ist ein ausgefuchster Gesetzgeber.«
»Ja«, sagte Adelia und dachte kurz nach. Dann: »Master Dickon, könntet Ihr mir wohl Feder und Tinte besorgen? Ich muss dem König einen Brief schreiben.«
Auf ihrem Weg zu Pippys neuem Herrenhaus schwang sich Emmas klarer Sopran zum blauen Himmel hinauf, begleitet von Vogelgezwitscher,
der Harfe ihres Barden, der hellen Stimme ihres Sohnes, Roetgers tiefem Bass und dem Hufgeklapper ihrer Pferde.
Ihr Mädel und Burschen, sagt dem Vater adieu
und eilt schnell zum Tanz in den Mai!
Adelia wippte im Sattel zu der Melodie, während Millie hinter ihr über eine Fröhlichkeit
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