Der König und die Totenleserin3
Ecke lagerten Fässer. Eine Katze hatte sich in einem Verschlag mit einer Ziege zusammengerollt. Die Feuerstelle unter dem Abzugsloch war kalt.
Zwei Mönche, jeder mit einem Stößel in der Hand, standen an einem schlichten Kartentisch und stampften Kräuter. Der eine war dick, der andere dünn. Sie blickten auf, als die Besucher eintraten. Ihre argwöhnischen Augen wanderten von Mansur über Adelia und Gyltha zu Allie und schließlich zu Rhys.
»Du lieber Himmel«, sagte der Dünne, »er ist wieder da!«
Rhys hob den Kopf. »Hallo, Bruder Aelwyn. Dann erinnert Ihr Euch noch an mich?«
»Und ob«, sagte Bruder Aelwyn.
Alle wurden vorgestellt. Der dicke Mönch war Bruder Titus, und nachdem er sie mit einem Nicken begrüßt hatte, galt seine ungeteilte Aufmerksamkeit dem Inhalt von Hildas Korb, den sie nun auf dem Tisch ausbreitete, vor allem der Lederflasche Ale.
»Ihr müsst wissen«, sagte Abt Sigward zu Mansur, »dass wir uns selbst eine Buße auferlegt haben, indem wir Bruder Patrick, der unser Küchenmeister war, zu den Abteien in der Normandie gesandt haben, wo er um Geld für den Wiederaufbau bitten soll. Unser Patrick hat die Gabe, andere zu bezaubern, und ein Interesse an guter Küche, das es gewiss mit dem ihren aufnehmen kann. Daher sind wir leider Gottes derzeit kaum in der Lage, für uns selbst zu kochen. Bis auf einen sind alle unsere Laienbrüder aufgebrochen, um anderswo Arbeit zu suchen …«
»Abgehauen sind sie«, sagte Bruder Aelwyn. »Die Ratten sind weggelaufen. Die glauben, Gottes Fluch liegt auf uns.«
»Ich fürchte, das tun sie«, sagte der Abt, »und vielleicht liegt ein solcher ja wirklich auf uns, doch zumindest sind wir mit der Verpflegung unserer Schwester Hilda gesegnet.« Er lächelte erst der Wirtin vom »Pilgrim Inn« zu und dann Mansur. »Und mit Eurer Anwesenheit, Mylord.«
Er betrachtete den Araber genauer, der ungerührt und stumm auf ihn herabstarrte. An Adelia gewandt, sagte er: »Gehe ich recht in der Annahme, dass der Doktor kein Englisch spricht?«
»Ich bedauere, aber ich werde dem Doktor als Übersetzerin und Assistentin zur Seite stehen«, sagte Adelia, womit sie auf eine Strategie zurückgriff, die ihnen beiden schon gute Dienste geleistet hatte. Es war hilfreich, dass Abt Sigward bereitwillig die Aussagen eines Sarazenen akzeptieren würde, doch sie wusste, dass er ihr eine derartige Toleranz nicht entgegenbringen würde. Prior Geoffrey, Gott segne ihn, war der einzige Kirchenmann, der ihre Fähigkeiten kannte und schätzte, doch selbst er auch nur, weil sie ihm das Leben gerettet hatte.
Sie fragte, ob sie vielleicht von einer Lady gehört hätten, die mitsamt ihrem Geleit verschwunden sei.
Alle verneinten. Seit dem Brand hatte keiner von ihnen die Abtei verlassen. »Wir sind die Hüter der wenigen heiligen Reliquien, die wir aus dem Feuer retten konnten«, sagte der Abt und fügte hinzu. »Ich bedauere Eure Sorge. Es sind gefährliche Zeiten.«
»Zerbrecht Euch darüber jetzt nicht den Kopf, Father!«, sagte Hilda zu ihm. »Schaut nur, ich hab Schinken mitgebracht, der genauso geräuchert ist, wie Ihr es gerne mögt, und mein Quittenkompott.«
Sie verhielt sich dem Abt gegenüber auffällig fürsorglich, wischte ihm Staub von der Schulter, füllte einen Teller für ihn, holte eine Serviette, die sie ihm in die Hand drücken wollte. Seit er aufgetaucht war, hatte sie sonst niemanden mehr eines Blickes gewürdigt.
»Irgendeine Spur von diesem nichtsnutzigen Teufel, den Wells uns auf den Hals gehetzt hat, Father?«, fragte sie.
Nachsichtig wies der Abt die Serviette zurück. »Meine Liebe, wir sollten weder davon ausgehen, dass Eustace das Feuer gelegt hat, noch, dass der Bischof von Wells ihn dazu angestiftet hat, obschon unser Verdacht in diese Richtung geht und wir den Sheriff davon unterrichten müssen. Aber nein, bislang haben wir ihn nicht gefunden.«
»Klar war er’s«, widersprach Hilda. »Das hat Bruder Aloysius doch gesagt, ehe er starb, oder etwa nicht? Er hat ihn aus der Krypta kommen sehen, als sie in Flammen aufging, oder etwa nicht?«
»Er hat so etwas gesagt.«
»Eustace soll in der Hölle verbrennen, wenn er nicht schon in dieser Welt verbrannt ist«, sagte Bruder Aelwyn, »und wer sonst außer diesem satanischen Bischof würde frohlocken, wenn Glastonbury niederbrennt? Natürlich hat der Falkner es getan.«
Zu Hilda, die ihn noch immer bemutterte, sagte der Abt: »Meine Liebe, es wäre unhöflich, ohne unsere Gäste zu essen, und
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