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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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hob das Tuch an und ließ es dann achtlos zu Boden fallen. »Oh Gott, wer hat das getan?«
    Wie bei dem Mann war auch hier ein Loch im Schädel, aber das war nicht alles. Dieses Skelett war zerteilt worden, zweimal zerhackt, einmal knapp unter dem Sitzbein und dann in Höhe der Hüfte, sodass dort, wo Becken und Kreuzbein hätten sein sollen, eine Lücke klaffte. Der gesamte Beckenbereich fehlte, von den unteren Rückenwirbeln bis zum Ansatz des Oberschenkelknochens, als habe derjenige, der das getan hatte, an der Weiblichkeit Rache üben wollen. Und sie hatten sie hingelegt, als wäre es ganz normal, als wäre es natürlich, dass die Beinansätze direkt aus dem Rückgrat hervorgehen.
    Adelias Stimme hob sich zu einem Schrei: »Wer hat das getan? Wer hat das getan?«
    »Im Kampf werden Abscheulichkeiten vollbracht«, sagte Mansur, »auch an Frauen.«
    Möglich. »Aber sie haben das gar nicht erwähnt«, schrie Adelia. »Ein Riesengetue um Arthurs verdammte Rippen, aber kein Wort hierüber … diese Verstümmelung von Guinevere. Ach ja, sie ist ja bloß eine Frau, nicht weiter wichtig.«
    Und dann wurde ihr klar, dass sie den Skeletten Namen gegeben hatte, was sie nicht hätte tun sollen. Wenn sie die Arbeit durchführen wollte, die der König ihr aufgetragen hatte, dann mussten die Knochen unbenannt bleiben, bis sie mehr wusste.
    »Vielleicht sind die Knochen abgefallen, ehe sie in den Sarg gelegt wurde«, sagte Mansur.
    »Sie wurden abgehackt«, erklärte Adelia ihm. »Schau hier!« Sie deutete auf den gesplitterten Kopf des Oberschenkelknochens. »Und hier.« Der unterste noch verbliebene Wirbel war in der Mitte durchtrennt worden.
    Mansur versuchte, sie zu beruhigen. »Das wird erfolgt sein, als sie bereits tot war«, sagte er.
    »Woher willst du das wissen? Das kannst du doch gar nicht wissen.«
    Und falls es wirklich post mortem passiert war, dachte sie, hatte es dann irgendein Frauen hassender Mönch getan? Waren die weiblichen Fortpflanzungsorgane zu unrein, um in geweihter Erde zu ruhen?
    Sie empfand den grimmigen Drang, die Frau zu schützen, die das einmal gewesen war; das Skelett war so … zierlich. Vollkommene kleine Zähne grinsten sie an, zarte Hand- und Fingerknochen lagen still im Sarg, als hätte die grässliche Verstümmelung des Unterleibs keine Bedeutung mehr.
    Was wohl auch zutraf – jedenfalls für sie. Aber nicht für Adelia.
    Als draußen Schritte erklangen, stürmte sie arabisch fluchend durch die Tür, bereit, jeden verdammten Mönch zu beschimpfen, der sich ihr in den Weg stellte. Aber es waren Gyltha und Allie, die auf sie warteten.
    »Kommt und seht euch das an …«, legte Adelia los und verstummte dann. Gyltha hatte einen merkwürdigen Ausdruck im Gesicht.
    »Wir waren da oben.« Gyltha deutete mit einer ruckartigen Kopfbewegung auf die obere Weide, ohne Adelia aus den Augen zu lassen. »Wir wollten uns das Maultier ansehen.«
    »Ach ja?«
    »Und dann hat sie angefangen zu weinen.« Noch ein Ruck mit dem Kopf, diesmal runter zu Allie. »Sie hat gesagt, es tät ihr leid, dass sie gemein zu dem kleinen Pippy gewesen ist, und wieso er nicht mehr zu ihr kommen will.«
    »Ja?«
    »Und ich hab gesagt: ›Wir finden ihn schon noch, Herzchen. Seine Mama und er, die sind irgendwo unterwegs aufgehalten worden.‹ Und sie hat gesagt: ›Nein, er ist hier. Das da ist sein Lieblingsmaultier.‹ Und ich hab gesagt: ›Kann nich sein.‹ Und sie hat gesagt …«
    Adelia ging in die Hocke, um mit ihrer Tochter auf gleicher Höhe zu sein. »Wieso denkst du, dass das Pippys Maultier ist, Schätzchen?«
    »Weil’s das ist«, sagte Allie. Auf ihren Wangen glänzten noch immer Tränen. »Das ist Polycarp. Pippy hat ihn am liebsten gemocht, weil er ihn füttern konnte und er nicht gebissen hat wie die andren.«
    »Woher weißt du denn, dass es Polycarp ist?«
    »Weil er’s ist«, beteuerte Allie. »Er hat eine Kerbe im Ohr und einen Flecken Regenfäule auf der Kruppe – groß wie eine Erdbeere. Wilfred hat gesagt, sie würden Tang drauftun.« Ihre Miene hellte sich auf. »Ganz nah am Hintern.«
    »Bist du sicher?«
    »Das ist Polycarp.« Allie wurde allmählich wütend über die vielen Fragen.
    Adelia schaute auf und sah Gyltha in die Augen.
    »Sie vertut sich nie, wenn’s um Tiere geht«, sagte Gyltha.
    »Nein«, sagte Adelia langsam. »Nein, nie. Oh großer Gott!«

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Kapitel sieben
    I ch glaube, Bruder Peter hat das Tier für uns auf dem Markt in Street gekauft«, sagte Abt Sigward

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