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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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das macht dann noch einen, den Wolf beerdigen musste.«
    Adelia nickte. Natürlich hatte Emma gekämpft. Ihre Dienerschaft starb um sie herum, Pippy war hinter ihr im Wagen – sie musste bis aufs Blut gekämpft haben.
    »Tja, Wolf war ziemlich überrascht. Und ehe er sich von seiner Überraschung erholt hat, gibt die Lady den Pferden die Peitsche und lässt sie mitsamt dem Wagen die Straße runtergaloppieren. Wolf hinterher, aber dieser riesige deutsche Bursche sitzt hinten drin und fuchtelt noch immer mit seinem Schwert, sodass Wolf nich näher ran kann. Deshalb musste er den Wagen entkommen lassen, versteht Ihr?«
    »Ihn entkommen lassen?«
    Will nickte. »Die Lady, der Deutsche, der Wagen und alles, was drin war. Ach so, und ein Packesel, der hinterhergetrabt ist – das ist Wolf alles durch die Lappen gegangen.«
    Sie sind entkommen.
    Dann packte Adelia Will bei den Schultern und schüttelte ihn erneut. »Wo sind sie hin?«
    »Weiß ich doch nich.« Will stieß ihre Hände weg und strich seine Tunika glatt.
    »Was soll das heißen, du weißt es nicht? Was ist aus ihnen geworden?«
    Will zuckte die Achseln.
    Alf sagte: »Woher sollen wir das wissen?« Auch Toki und Ollie beteuerten ihre Ahnungslosigkeit. Sie wirkten enttäuscht. Da hatten sie sich so viel Mühe gegeben, hatten sich unter Lebensgefahr in Reichweite des launischen Wolfs begeben, hatten für sie Dinge in Erfahrung gebracht – und sie war noch immer nicht zufrieden.
    »Aber … sie sind verschwunden«, sagte sie. »Seitdem gibt es keine Spur von ihnen. Wenn meine Freundin noch leben würde, dann hätte sie mich irgendwie gefunden. Das weiß ich genau.« Sie war den Tränen nahe.
    »Is nich unsere Schuld.« Die Zehnschaft hatte ihr alles erzählt, was sie wusste. Sie hatte ihren Teil der Abmachung erfüllt.
    »Mein Gott.« Es war bitter, es war grausam. Nach alldem war sie auf der Suche nach Emma noch immer keinen Schritt weitergekommen.
    »Als sie zuletzt gesehen wurden, sind sie Richtung Glastonbury galoppiert, oder nich, Will?«, warf Alf hilfsbereit ein.
    »Das hat Wolf gesagt, ja.« Will stand auf. Adelias mangelnde Dankbarkeit hatte ihn wieder mürrisch gemacht. »Bei dem Tempo sind sie vielleicht auch nach Street, oder sie sind in den Brue gefallen, mir doch egal. Bist du langsam fertig mit der Buddelei, Alf?«
    »So gut wie, Will.«
    »Dann nix wie weg hier! Wir haben nur Zeit bis zum Morgengrauen, und ich muss in die blöde Bäckerei.«
    Seine blöde Bäckerei konnte warten. Adelia würde die Getöteten nicht einfach so zurücklassen.
    Sie ging zu dem ordentlichen Streifen frisch umgegrabener Erde, die die Getöteten nun bedeckte, kniete nieder und betete. »Gewähre diesen guten Männern und Frauen ewige Ruhe, oh Herr, und lass Dein ewiges Licht über ihnen leuchten! Mögen ihre Seelen in Frieden ruhen! Amen.«
    Sie gab den Toten das stumme Versprechen, dass sie in diesem Wald nicht vergessen sein würden. Wer auch immer Wolf war, er war eine Schande. England rühmte sich, ein zivilisiertes Land zu sein, aber hier war es nicht zivilisiert. Die zerstrittenen Kirchenmänner von Glastonbury und Wells waren offenbar nicht in der Lage, die Straße und den Wald zwischen ihren Städten sicher zu machen, aber es gab einen, der das konnte. König Henry würde sich darum kümmern. Sie würde es von ihm verlangen.
    Als sie sich umschaute, sah sie, dass die Männer wieder ihre Kappen abgenommen hatten. Sie war nicht freundlich zu ihnen gewesen, daher fügte sie hinzu: »Und segne diese Freunde, die mich hierhergebracht haben, ohne an sich selbst zu denken. Ich bin ihnen dankbar.«
    Verlegenes Füßescharren folgte. Alf begann, die Erde mit der Schaufel glatt zu klopfen. Dann hörte er auf.
    Die Männer waren plötzlich wie gebannt. Adelia hörte Will zischend ausatmen.
    Ein Lufthauch hatte in den Bäumen geraschelt, wo es gar keinen Lufthauch gab. Müde sah sie zu der Stelle am Rand der Lichtung hinüber, wohin die Männer mit entsetzter Miene blickten.
    Ein Strauch, der sich bewegte, etwas Grünes, das sprach. »Seid gegrüßt, Freunde.«
    »Wir dachten … wir dachten, du wärst heute Nacht drüben … drüben bei Pennard, Wolf.« Will keuchte.
    »Ein Teil von mir. Der Rest von mir ist hier.«
    Die Stimme knisterte wie trockenes Laub, als spräche ein Baum.
    Ob das Wesen da nun nackt war oder nicht – und vielleicht war es das teilweise –, jedenfalls ließen die Ranken, die seinen Körper umschlangen, und der Kranz um seinen Kopf –

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