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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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vielleicht war es auch buschiges Haar – es eher pflanzlich als tierisch wirken, als wäre es schon durch urzeitliche Wälder gestreift, noch ehe es Menschen gab. Selbst die Waffe, die es trug, war aus Holz – ein Stab, der in einer hellen, frisch geschärften Spitze endete.
    Will wich zurück. »Du hast gesagt … drei Stunden, Wolf … dass wir sie herbringen dürfen …«
    »Das hab ich. Das hab ich, Will. Du hast mir einen Leckerbissen versprochen.« Zähne leuchteten zwischen Blättern. »Leckerbissen haben wir gern, nicht, Scarry?«
    Die Zehnschaft stieß ein leises, gemeinschaftliches Stöhnen aus; ein anderes Wesen hatte sich tänzelnd zum ersten gesellt. Es stieß ein freudiges Kreischen aus:
»Puellae!«
    »Nur eine diesmal, Scarry, nur eine. Aber sie genügt uns. Zuerst ich, dann du, hä?«
    »Du und ich, Wolf, du und ich.« Auch diese schwankende Gestalt, größer, schlanker, war von Laub umrankt.
    Will erhob Einwände. »Is doch nich nötig, Wolf … nich nötig …« Doch im Sprechen ging er rückwärts. Adelia wurde bewusst, dass die anderen sich von ihr entfernten. Alf protestierte. »Du hast es versprochen, Wolf, du hast gesagt …« Aber seine schlotternden Hände hatten die Schaufel fallen lassen, und auch er wich zurück wie ein geduckter Hund.
    Es war ein Traum. Sie war nicht mehr in der Gegenwart, sie war in eine Dunkelheit zurückversetzt worden, in der es nur Bäume und Raubtiere gab.
    »Zeit, dass ihr geht, Freunde«, sagte Wolf leise zu den Männern, die schon dabei waren zu gehen. »Lasst die Lady hier. Ich zuerst. Dann Scarry. Hä, Scarry?«
    Eine freudige Antwort erfolgte. »
Mirabile visu.
Lass sie bleiben, oh Wolf! Du mein Lupus. Du zuerst, dann ich. Lass sie zusehen!«
    Sie waren halb Ziegenböcke. Sie würden hier auf ihrer Lichtung einen Ritus mit ihr vollziehen. Sie würde in Stücke gerissen werden, um einen heidnischen Gott zu befriedigen. Sie brauchten keine Waffen. Sie waren der Schrecken selbst, dessen Gestank allein schon normale Menschen fliehen ließ wie panische Vögel. Vor lauter Angst konnte sie sich nicht bewegen, als hätte die Erde unter ihr Wurzeln in ihren Körper sprießen lassen.
    Der, den sie Wolf nannten, kam anmutig näher getrippelt, bis er ihr gegenüberstand und nur noch das Grab sie trennte. Helle Augen spähten durch die Blättermaske. »Ich hab noch was zu kriegen«, sagte er. »Die, die entkommen ist, hat mich um mein Vergnügen gebracht. Ich mag mein Vergnügen, und man hat sie mir versprochen, nicht wahr, Scarry?«
    »Ganz recht, Wolf. Die Dame hat’s versprochen.
Filia pulchrior.
«
    »Aber ich hab die gekriegt, die sie zurückgelassen hat, nicht, Scarry? Die waren ein großes Vergnügen.«
    »Geblökt haben sie, Wolf. Lämmer auf der Schlachtbank.
Is agnus, ea caedes est.
Ach, welche Wonne!«
    »Und jetzt krieg ich dich«, sagte Wolf zu Adelia. »Ich krieg alles.«
    Seine Augen blickten unverwandt in ihre, während er anfing, in seinem Schritt zu nesteln. Ein pladderndes Geräusch ertönte. Er urinierte, schwenkte seinen Penis hin und her, bespritzte das Grab derjenigen, die er abgeschlachtet hatte.
    Die andere Kreatur wieherte vor Freude.
    Und plötzlich brach sich eine gewaltige Wut in Adelia Bahn. Sie stand auf, wusste weder, dass sie dazu imstande war, noch, warum sie es tat, nur, dass sie an diesem grauenhaften Ort das letzte bisschen Zivilisation verkörperte. Diese Menschen hatten keine Seele, kannten keine Grenzen, keine Hemmungen, sie hatten alle Würde aufgegeben, die die Menschheit sich angeeignet hatte, um sich von brutalen Bestien zu unterscheiden. Das Chaos war zurückgekehrt. Es hatte die Toten eingeholt, die jetzt entehrt wurden, es würde sie überwältigen, doch um jener Toten willen war sie aufgestanden und trat ihm entgegen, auch wenn sie noch so allein war.
    Wolf lächelte.
    Sie war nicht allein. Irgendwer kam stammelnd näher. »Aber du hast gesagt … Du hast uns versprochen … Das is nich richtig, Wolf, nich richtig, nich richtig.« Es war Alf. Er kam zurück, kämpfte gegen seine Panik an wie gegen heftigen Wind, und er stemmte sich dagegen, sodass er sich vor sie stellen konnte.
    Wieder lächelte Wolf, fast zärtlich, dann wirbelte er den Stab in seiner Hand herum wie einen Schlagstock und schmetterte ihn Alf gegen den Hals. Alf sank Adelia vor die Füße, protestierte aber flüsternd weiter, als könnte er nicht aufhören. »Du hast gesagt … du hast gesagt … du hast gesagt … das is nich

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