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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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Arkaden, Treppenhäuser und Schleichwege, die Heimat tausender eingepferchter Hofhühner, die sich langsam mit Schatten füllte. Es war wie in seiner Knabenzeit, als die Herzogin ihm den Befehl gegeben hatte, einen Tag lang durch ein solches Fenster die Wege bestimmter Personen, ihre Begegnungen und die dazugehörigen Uhrzeiten zu notieren, sein erster Auftrag als Spion.
    Fleury empfing ihn nicht. Amelot ließ sich verleugnen. Sein Memo wurde zurückgewiesen.
    Er blieb keinen weiteren Tag in Paris.
    Aber die Versailler Erniedrigung war nichts gegen das, was ihn in Amsterdam erwartete. Gewiß, er wurde leichtsinnig in der Stadt seiner Gönner und Finanziers. Er verlor ein wenig seine Aufgabe aus dem Blick, und wenn nicht sie, dann doch die Eile, mit der er sie hätte erledigen sollen, um in sein Königreich zurückkehren und vor einem eventuellen Eingreifen Frankreichs vollendete Tatsachen schaffen zu können. Im nüchternen Licht Amsterdams, im kühlen
Wind der Grachten an so romantische Gefahren zu denken wie ein Pistolenattentat auf eine mit Samt ausgeschlagene Kutsche auf dem Weg zur Oper, war einfach unmöglich. Theodor residierte in einem Haus in der Prinsengracht und hielt sich mit schmuckvollen Erzählungen aus Korsika schadlos für die Schnödigkeit der französischen Politiker. Er gab dem schwer beherrschbaren Drang, den Lohn für all seine Mühen aus bewunderungsvollen Blicken und ihm zugetragenen Stadtklatsch zu saugen, ein Stück zu weit nach.
    In der Nacht vom sechzehnten auf den siebzehnten April spielte Theodor Karten und ging etwas ärmer, als er den Abend begonnen hatte, durch die feuchte Morgenluft nach Hause. An der Tür seines Logis wurde er von vier Uniformierten verhaftet, seine Leibwächter mußten tatenlos zusehen. Das heißt, hätte Theodor geahnt oder glauben wollen, daß es sich tatsächlich um eine Verhaftung handelte, er wäre wohl nicht so gleichmütig mitgegangen. Er begriff die Situation erst, als keine seiner Fragen beantwortet wurde, keine Amtsperson ihn aufklärte und man ihn in eine schmutzige, vergitterte Zelle stieß, auf deren Boden er ausglitt. Beim Aufstehen bemerkte er einen großen feuchten und stinkenden Fleck auf seinem Mantel.
    Zwei Stunden später erfuhr er in einem Amtszimmer im ersten Stock desselben Gebäudes, was ihm vorgeworfen wurde. Ein alter, völlig vergessener Gläubiger hatte, was nicht schwer war, von seiner Anwesenheit in Amsterdam gehört, einen nie beglichenen Schuldschein von vor zehn Jahren geltend gemacht und eine Zwangsvollstreckung mit Beugehaft durchgesetzt. Es ging um wenige tausend Gulden.
    Theodor reagierte mit ätzender Herablassung und all dem beißenden Spott, zu dem ein wegen fünftausend Gulden verhafteter König fähig ist. Mit einer nachlässigen Handbewegung nannte er den Namen eines Bankiers, bei dem man den Kreditbrief, den er aus der Tasche zog, einlösen
solle. Sein Benehmen machte den Beamten Eindruck, aber nur so lange, bis am späten Nachmittag ein Bote zurückkehrte und die Nachricht überbrachte, der Bankier habe Konkurs angemeldet und sei nicht in der Lage, irgendwelche Zahlungen zu leisten.
    Ein Richter mit quittengelbem Gesicht, einer schiefsitzenden Allongeperücke, unter der graues, borstiges Haar zu sehen war und bräunlichen Pferdezähnen, erklärte bündig, der Herr König bleibe, könne er seine Schulden nicht begleichen, bis zu einer Verhandlung in dieser Sache arretiert. Theodor wurden zwei Zimmer zugewiesen, ein Schlafsowie ein Wohn- und Arbeitsraum, und man gestattete ihm, einen Kammerdiener und seinen Sekretär bei sich zu haben, aber die Tür blieb verschlossen.
    Das ganze Ausmaß seiner Lage wurde ihm erst am Morgen darauf bewußt, als die Zeitungen gebracht wurden, zunächst nur die »Gazette von Amsterdam« und die »Utrechter Gazette«. »König von Korsika in Amsterdamer Schuldgefängnis« titelte das erste Blatt immerhin noch, während das zweite ihn als »den deutschen Abenteurer Baron Neuhoff« bezeichnete, »der im vergangenen Jahr soviel Aufsehen erregte, als er sich von korsischen Rebellen zu ihrem König krönen ließ«.
    Die Journalisten, die seinen Weg die letzten Jahre über als treusorgende Eumeniden begleitet hatten, wandelten sich zu Erinnyen, deren Fackeln und Schlangen Rhetorik und Häme waren. Mit jedem Schlag ihrer in Wahnsinn versetzenden Peitsche, vor der er durch die beiden verschlossenen Räume flüchtete, den Tisch umstoßend, daß alles Papier darauf zu Boden segelte und das Tintenfaß

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