Der König Von Korsika
Sherry, den Mr. Walpole das letzte Mal hiergelassen hat, Sir.
Benachrichtigen Sie ihn, er möchte Wein und Cognac senden, sagte der König.
Er nahm auf dem Thron Platz. Er kannte den berühmten Tragöden nur von der Bühne. Wen würde er auftreten sehen? Den leichtfüßigen Harlekin oder den hinkenden Richard? Nein, König ist hier nur einer. Ha, am I king? Tis so , das bleibt an einem hängen. O bitter consequence . Dabei hatte er in den letzten Jahren schon schlechter gewohnt als zur Zeit. Die Dialektik der Freiheit. Das Schicksal tat alles dafür, damit er leben konnte, wie er es immer erträumt hatte: ungestört über sich nachsinnend, ohne von den Forderungen des Tages abgelenkt zu werden. Er hatte sich einer gewissen Inkonsequenz zu zeihen, damit nicht zufrieden zu sein und um jeden Preis dieser Klausur entkommen zu wollen. Aber überall, wo er länger geblieben war im Leben, hatte er es nur ausgehalten, weil er jederzeit fortgehen konnte. Dabei fand man sich doch stets, sobald die Reisebewegung zu ihrem ersehnten Ende kam, wieder an einem einzigen Ort, in vier Wänden, die sich von diesen hier nur in Details unterschieden. O die Welt der Details!
Die Idee zu der Begegnung stammte aus dem Hirn des umtriebigen Horace Walpole, der alles, was in seinen Kräften und seiner Phantasie stand, versuchte, um Theodor aus dem Gefängnis zu bekommen. Da die Schuldenbegleichung illusorisch war, konnte nur ein Gnadenerlaß helfen, und ein solcher mochte wahrscheinlicher werden, glaubte Walpole, wenn die Londoner Gesellschaft und der Hof David Garrick zujubelten in der von ihm geschriebenen und aufgeführten Tragödie über Glanz und Elend des Königs von Korsika. Kathartische Tränen einer ganzen Stadt, die Theodor zurück in die Freiheit schwemmen mochten. So war es gedacht, und an ihm war es nun, den Schauspieler und Dramatiker für diesen Plan, das heißt, für sich,
Theodor, zu begeistern und seiner Inspiration in den Sattel zu helfen.
Garrick wurde gemeldet, Theodor gab den Musikern einen Wink, das Mandolinenkonzert hob an, und er sah, wie der Mann, dessen Gesicht im Schatten seines Huts verborgen war, zur Tür hereinkam und unwillkürlich seinen Schrittrhythmus dem Takt der Musik anpaßte. Vor Theodors Thron zog er den Hut so tief, daß die Feder über den Boden strich und hob dann den Kopf ins Licht empor.
Majestät, sagte er laut und deutlich, und bewundernd empfand der König, wie sehr das Wort in der Schwebe hing zwischen Affirmation und Frage, wie die ersten zwei Silben rasch und selbstverständlich, die letzte dann wie durch einen kurzen Vorhalt, ein rasches Nachhorchen gebremst herauskamen, wie gaumig es klang, als sei es schon länger gekaut und auf seinen Geschmack hin geprüft worden, auf seine Eignung in dieser besonderen Situation. Auf dem Theater, dachte Theodor, spricht man so einen König an, über dessen Schicksal bereits entschieden ist. Nicht zynisch, nicht einmal ironisch, nur das ominöse Wort genug dehnend, um sich alle Optionen offenzuhalten.
Während dem Theaterprinzipal Hut und Mantel abgenommen und der Stuhl zurechtgerückt wurde, studierte Theodor das Gesicht zum ersten Mal aus der Nähe und ohne daß dicke Bühnenschminke die Züge verzerrte.
Es war ein teigiges Gesicht, überhaupt nicht hager, das schränkt die Mimik ein, auch nicht feist, sondern teigig im Wortsinne: formbar. Das warf die Frage auf, wie er selbst sich denn geben und darstellen sollte. Saß man einem Mann aus Granit gegenüber, fiel es leicht, sich um seine Persönlichkeit schmiegend, ihr in Ton und Stimmung zu entsprechen, um eine Begegnung zu ermöglichen. Was aber, wenn auch das Gegenüber ein Meister der Knetbarkeit war?
Mister Garrick, es ist mir eine Freude und Ehre, Sie in meinem Thronsaal zu empfangen. Darf ich Ihnen einen
Sherry anbieten? Die Umstände verhindern, daß meine Bar besser gefüllt ist.
Mir war ohnehin nach einem Sherry zumute. Darf ich Ihnen meinerseits eine Havanna anbieten, Sire? Die Hausordnung erlaubt das doch?
Sie verbietet nur, daß ich sie mir selbst besorge. Es hat etwas für sich, ein Empire zu besitzen.
Ich besitze es leider nicht persönlich. Mein eigenes Reich beschränkt sich auf das Drury Lane Theatre.
Das dem anderen an Ruhm kaum nachsteht.
Garrick verneigte sich leicht. Einen Moment lang beschäftigten sich beide damit, die Zigarren zu beschnuppern, abzuknipsen, anzurauchen. Der Schauspieler erhob sich, um dem König Feuer zu geben. Der Qualm wurde vom Leuchter angezogen
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