Der König Von Korsika
britische Hauptstadt die Reiseroute über Kursachsen umgeleitet. Er hatte vorgehabt, endlich seine Frau heimzuholen und als Königin von Korsika neben sich auf den Thron zu setzen. Siehst du, wollte er ihr sagen, es hat sich gelohnt, daß ich bei Nacht und Nebel verschwunden bin. Und dann hatte er starr und ungläubig vor ihrem Grab gestanden, auf dem kleinen Friedhof von Herrnhut, die Frühlingssonne fiel schräg auf den hellen Stein, auf dem in Gold über vier Zeilen all ihre Namen und Titel eingraviert waren. Von seinem Namen jedoch keine Spur. Hier lag eine Lady Jane Ormond, aber keine Baronin Neuhoff.
Du Kleingläubige, hatte er kopfschüttelnd gemurmelt. Was sind schon zehn Jahre? Du hättest wissen können, daß ich wiederkomme, und mir vertrauen, anstatt einfach wegzusterben.
Jenseits der Friedhofsmauer, auf ungeweihtem Grund, befand sich ein einzelnes Grab, darin lag Larbi, der einen Monat nach Jane entschlafen war. Seiner Herrin bis zum Ende dienend, hatte der Diener seinem Herrn bis zum Schluß Ehre gemacht.
Und heute speiste der Herr mit dem englischen König, der sich freute, deutsch reden zu können, und sich beschwerte, mit seinen Ministern in einer Art Küchenlatein verkehren zu müssen, hörte er Händels Oratorium in der Loge des englischen Außenministers. Am Nachmittag hatte der junge Horace Walpole, der Sohn des vormaligen Premierministers, ein erklärter Bewunderer Theodors seit Jahren, ihn in das soeben eröffnete Schwimmbad geführt.
Großartig, nicht wahr, Majestät, hatte er gesagt, es ist das erste seiner Art in der Welt. Auf seine Weise ähnlich revolutionär wie Ihre korsische Konstitution.
Theodors Bewunderung war geschrumpft, als er erfuhr, das große Becken sei keineswegs für eine private Nutzung gedacht und daß alltags hier so viele Menschen
im Wasser zappelten wie Goldfische im Karpfenteich von Fontainebleau. Man schwimmt also immer hin und her, sagte er. Nun ja, es hat ja wohl für die meisten etwas Sinnbildliches.
Es war alles schön und gut, auch daß er jetzt auf andere Weise König von Korsika werden würde als beim ersten Mal, ohne Handel und Händel, ohne Erniedrigung und Ränke und Ranküne, und auch keine Rücksichten mehr nehmen mußte auf die Empfindlichkeiten der Einheimischen. Der Idealismus von ehedem hatte einer Vorstellung Platz gemacht, die eher wie eine Kreuzung der Herrschaft Maillebois’ und des genuesischen Hochkommissars anmutete – und während das Oratorium zu Ende ging, dachte Theodor mit einer gewissen Verbitterung, daß es einen gewaltigen Unterschied gab zwischen Verheißung und Genugtuung.
Ich werde achtundvierzig dieses Jahr, ich bin ein alter Mann. Ich bin nicht Alexander. Ich bekomme, was ich will, aber ich bekomme es spät. Wirkliches Glück kann nur ein junger Mann empfinden, der noch nie durch eine Niederlage zurückgeworfen wurde. Später ist es nur noch so, als schütte man eine Jauchegrube mit Gold zu. Es glänzt und schimmert, aber der Gestank kommt doch immer wieder hoch.
Das Bild von der glänzenden Stinkgrube war griffig und mochte in einem Moment illusionsloser Erkenntnis entstanden sein, dennoch war es nicht von der Art, die einem nützt beim weiteren Bestehen seines Lebens. Tatsache ist, daß Theodor einige Monate darauf, als er neben Kapitän George Barclay auf der Brücke der Revenger stand und die würzige Luft tief in die Lungen zog, auch nicht der geringste Kotgeruch in die Nase stieg, und auch wenn er achtundvierzig Jahre zählte, war das, was er an Bord des majestätischen Schlachtschiffs und im Anblick der dunstflimmernden Küstenlinie Korsikas empfand, Verheißung und
nicht Genugtuung. Im nachhinein sagte er sich oft, daß in jenem Moment, dem Augenblick, in dem das Ersehnte zum Greifen nah und sein Gefühl, Herr der Lage zu sein, vollkommen war, Gott den Atem hätte anhalten müssen, damit der Moment sich zu Ewigkeit verwandle.
Vom Juni bis zum Oktober hatte er seine von Österreich finanzierte und von England bewerkstelligte Rückeroberung Korsikas geplant. Mehrere Schiffe mit allem, was die Rebellen benötigten, voran die Revenger und die Salisbury unter Kapitän Peter Osborn, randvoll mit englischen Soldaten, waren über Lissabon ins Mittelmeer gesegelt und standen unter seinem Befehl. Was immer auf dem Kontinent vorging, hatte Theodor nur mehr am Rande interessiert in diesem Sommer und Herbst.
In den Gewässern vor der korsischen Küste hatten sie die San Isidoro versenkt, ein spanisches Kriegsschiff mit
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