Der König Von Korsika
offenbar von dem kleinen jüdischen Trödler aufgesammelt worden war. Eins nach dem anderen jetzt, sagte er sich. Essen und Schlafen zunächst, alles weitere muß warten, alles weitere lag am jenseitigen Ufer eines Meers von Müdigkeit.
Ich werde Ihnen selbstverständlich nicht lange zur Last fallen, Madame. Und es soll Ihr Schade nicht sein. Ich bin der König von Korsika, und ich darf Sie versichern -
Nun kommen Sie halt erst mal rein, maulte die Alte und fiel dann wieder in einen schrillen Ton, als sie rief: Jeremie, wir sprechen uns noch, Sohn!
Ein Meschuggener, ich muß mir einen Meschuggenen ins Haus holen, flüsterte der Trödler.
Das Souterrain war ein höhlenartiges Gewölbe mit Backsteinmauern und einem Boden aus gestampfter Erde, das Theodor fatal an seine Zelle erinnerte. Ganz offenbar, dachte er, fällt es mir schwer, diese unterirdischen Verließe hinter mir zu lassen. Sein Blick ging durch den Vorraum, der bis zur Decke mit Waren vollgestopft war, Kleidung, Hüte, Bilder, Bilderrahmen, Gipsfiguren, Schrankbretter, Kisten voller Alteisen, oxydiertes Besteck und rostige Säbel, eine Rüstung, Teppiche. Im hinteren Raum gab es einen Tisch mit vier Stühlen und zwei Verschläge oder Alkoven, mit Teppichen verhängt, hinter denen wohl die Betten standen.
Jeremie war heruntergekommen. Du hast Hunger, nicht wahr?
Der König wandte ihm den Kopf zu. Es störte ihn nicht, daß der kleine Mann ihn duzte, er würde ihn nicht zurechtweisen, aber auch nicht auf seinen Ton eingehen.
Ja, ich habe zu tun gehabt, eilige Geschäfte, und das Frühstück übersprungen. Wenn Sie auftischen möchten...
Mutter und Sohn sahen einander an. Die Alte stand seufzend auf und holte aus einem Wandschrank einen Laib Brot sowie ein Stück Käse, das schon bessere Tage gesehen hatte. Jeremie stellte einen Weinkrug auf den Tisch. Dann schnitt er drei Scheiben von dem Brot und teilte den Käse in drei Stücke. Seine Mutter warf ihm einen Blick zu, und er erhob sich und brachte eine Schale mit Pinienkernen herbei.
Sie können natürlich auch gerne länger bei uns unterkommen, sagte die Alte forschend. Wenn Sie nicht wissen, wohin sonst. Es ist nicht teuer hier, und Sie sind ja gewiß nicht mittellos...
Mama , sagte Jeremie und legte die Hand auf ihre. Es war ihm peinlich, selbst vor diesem abgebrannten Bettler.
Sie haben da so eine schöne vergoldete Kette um den Hals hängen, fuhr die Mutter fort. Ist doch Gold, nicht wahr? Die ist bestimmt so viel wert, daß Sie mit ihr für zwei, drei Nächte Kost und Logis bezahlen können.
Theodor lächelte ihr zu: Madame, ich weiß Ihre Gastfreundschaft zu schätzen, aber ich werde sie vermutlich nicht allzu lange in Anspruch nehmen können. Ich habe Pläne und Projekte, die keinen Aufschub dulden. Was die Kette hier betrifft, so hängt das Medaillon des Ordens der Erlösung an ihr, dessen Großmeister ich bin und das, wie Sie verstehen werden, nicht verkäuflich ist. Die Kette an sich könnte ich in der Tat veräußern, ich habe seinerzeit etwa sechshundert Pfund dafür bezahlt, es ist handgedengeltes achtzehnkarätiges Gold.
Die beiden Gastgeber wechselten Blicke. Wieder drehte Jeremie den Finger vor der Stirn. Er zwang sich zu einem Lachen: Katzengold ist das, komm, gib nicht so an und iß
erstmal was, Freund.
Sie starrten ihn an. Er rührte sich nicht.
Was ist? Wir haben nichts Besseres. Komm, iß, du bist hungrig.
Theodor bemerkte freundlich: Gewiß. Ich warte nur darauf, daß die Gedecke aufgetan werden.
Die Gedecke? Die Gedecke... Du meinst Teller und...
Und Besteck. Natürlich, Sohn, sei nicht so schwer von Begriff, keifte seine Mutter. Hol die Gedecke, die Gedecke, nicht wahr?
Ganz recht, Madame.
Dann lagen Brot und Käse auf einem Teller, daneben Messer und Gabel.
Du mußt den Käse auf die Tischplatte schlagen, daß alle Maden rauskommen.
Theodor klopfte den Käse auf die Tischplatte. Zuvorkommend zerdrückte Jeremie ihm die weißen Würmchen auf dem Holz. Bevor er sein Brot zum Mund hob, begann Theodor zu murmeln.
Was sagt er? flüsterte die Mutter.
Ich glaube, er betet, zischte Jeremie.
Amen, sagte Theodor laut und fügte hinzu: Das war lateinisch, gesegneten Appetit wünsche ich.
Das Essen verlief schweigsam, das harte Brot zu kauen nahm alle Konzentration in Anspruch. Theodor goß sich Wein nach.
Ich danke für das exzellente Mahl. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden. Ich gedenke, ein wenig zu ruhen. Madame! Wenn Sie, mein Herr, die Freundlichkeit
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