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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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leuchteten rot. Er machte mit ausgestreckten Armen einen Schritt auf Theodor zu, als wollte er ihn hochziehen, um die Schultern fassen.
    Das ist es! rief er. Genau das! Können Sie das vielleicht noch einmal...? Aber woher, natürlich nicht. Sie haben es ja selbst gar nicht bemerkt. Dem Himmel sei Dank, daß ich es nicht verpaßt, daß mein Blick so scharf ist, meine Aufmerksamkeit so gespannt! Mein Gott, es ist immer nur solch ein Fünkchen, auf das alles ankommt.

    Wovon reden Sie, Garrick? fragte Theodor ruhig.
    Ihre Geste! ereiferte sich der Schauspieler. Dieses ganz außerordentliche Fingerschnippen. Das ist das Zeichen des Königs! Das ist die Bewegung, aus der heraus sich alles entwickelt, der Charakter, der Mensch! Das ist die Nabelschnur zwischen Ihrem Körper und meinem!
    Was war das denn für eine Geste? fragte Theodor amüsiert-erstaunt.
    Warten Sie Majestät, ich zeige sie Ihnen!
    Und binnen einer Sekunde verwandelte Garrick sich vor Theodors Augen in einen anderen, in ihn selbst nämlich, so daß der König sein Spiegelbild zu erblicken glaubte. Die physischen Unterschiede zwischen den beiden Männern verschwanden, und Theodor sah zu, wie Garricks kleine Pantomime in einer absolut exakten Replik seines Fingerschnippens endete – daß sie exakt war, konnte er beurteilen, denn es hatte sich keineswegs um eine unbewußte Bewegung gehandelt.
    Seine ganze Rede hatte, wenn er es recht sah, zu nichts anderem gedient, als sie mit genau dieser Geste abschließen zu können. Was er exakt damit hatte ausdrücken wollen, hätte er selbst nicht zu sagen vermocht, aber das war auch nicht das Entscheidende. Viel entscheidender war, daß sie, diese Bewegung, sich offen für alle Interpretationen hielt.
    Mehr kann ich beim besten Willen nicht für ihn tun, dachte der König.
    Die Tragödie des verratenen Herrschers, der betrogenen Freiheitshoffnungen eines ganzen Volkes – ein Fingerschnippen, sagte Garrick, der in sich selbst zurückgekehrt war, bebend.
    Theodor blickte auf wie aus tiefen Träumen erwachend. Solch einen Tag wie jenen werde ich wohl nicht mehr erleben, was meinen Sie?
    Garrick musterte ihn, und wenn ihn soeben noch Bewunderung für diesen Mann erfüllt hatte, so sah er jetzt
einen gebrochenen Greis, der ihm Mitleid und ein wenig Abscheu einflößte.
    Vielleicht nicht, sagte er. Aber dennoch hat Ihnen das Schicksal eine Hauptrolle zugeteilt.
    Offenbar, erwiderte Theodor amüsiert, aber sicher kann man nicht sein, denn unser Rollenbuch ist Gottes Heilsplan. Leider bekommt es nur der Regisseur zu sehen, wir anderen müssen improvisieren.
    Garrick beschrieb mit beiden Händen eine Art Kuppel und sagte: Das ist unsere Tragik. Noch nach dem schönsten, dem bewegendsten Auftritt irgendwann das Proszenium verlassen zu müssen, in die entsetzliche Dunkelheit der Kulisse zurückzutreten und nicht zu wissen: War es gut? Das Spiel geht weiter. Aber nicht wir, Majestät. Wir treten bald wieder ab. Wir sind kaum sichtbar in den Äonen der Äonen. Ameisen, sind wir, Monaden... Aber das hat auch wieder sein Beruhigendes. Das Hohngelächter und die Flüche können uns nicht folgen ins Vergessen. Nein, wir sind nicht viel!
    Er schüttelte den Kopf und wiederholte seine Worte: Wir sind nicht viel, Sire.
    Mein lieber Garrick, sagte der König. Ich fürchte, unsere so überaus fruchtbare Unterhaltung muß sich für heute dem Ende entgegenneigen. Ich erwarte nämlich meinen Beichtvater. In den frühen Morgenstunden bin ich immer sentimental und versöhnungsbereit. Er nutzt das aus. Was soll ich tun?
    Als er wieder alleine war, hallten Garricks letzte Worte weiter lautlos durchs Gewölbe. Wir sind nicht viel. Doch, das hatte etwas. Theodor wiederholte den Satz, um zu sehen, ob er sich mit ihm anfreunden könne. Ein Gedanke, um Frieden zu schließen mit sich und der Welt. Ich bin nicht viel, sagte er laut. Welch eine Erkenntnis am Ende dieses Abends. Hoffen wir nur, es werde nicht die letzte und tiefste sein, die mir beschieden ist.

Das vorletzte Kapitel
    Am sechsten Dezember 1756, fast auf den Tag genau sieben Jahre nach seiner Verhaftung, stieg der König die feuchte Treppe empor. Das Tor zum Innenhof wurde aufgeriegelt, und er hörte das feine Säuseln des Regens. Es war längst nicht mehr William, der ihn stützte, die Wärter blieben hier nicht so lange wie die Gefangenen.
    Er zögerte einen Moment, in den Regen hinauszutreten, als sei er sich nicht mehr sicher, wie dieses Element auf den menschlichen Körper wirkte.

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