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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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Konzentration. Theodor sah dem Mann an, daß er soeben ein Kapitel abgeschlossen hatte und dabei war, ohne sich mit Nachbetrachtungen aufzuhalten, ein neues aufzuschlagen.
    Diesen sichtenden, aussortierenden, ordnenden und wertenden Geist neidete der junge Mann dem älteren auf der Stelle, sah sich auch gleich die den Denkprozeß illustrierende Gestik ab, spürte aber mit einer gewissen Reserve, an jemanden geraten zu sein, dessen Machtmagnetismus die anderen an sich zog und benutzte. Theodor mußte sich zurückhalten, nicht mit einer geschönten Version seiner Lebensgeschichte herauszuplatzen, um dem Größeren, bevor der daran gehen konnte, ihn sich zu Diensten zu machen, Achtung vor seiner Persönlichkeit zu verschaffen.
    Ist Ihnen eigentlich klar, daß die britische Krone hundert Agenten laufen hat, um Sie abzufangen? fragte Görtz jetzt. Wissen Sie überhaupt, daß eine Hilfe Orléans’ wie diese hier erwartet wurde und daran gehindert werden sollte, mich zu erreichen? Hier im Land habe ich Freunde, aber der erwartete Agent sollte gar nicht erst bis ins Land gelangen. Mein Kompliment, junger Mann. Wie haben Sie das gemacht?
    Theodor preßte die Kiefer aufeinander, um sie daran zu hindern, zu einem erstaunten »Oh!« auseinanderzuklaffen, faßte sich sogleich und antwortete lächelnd: Nun ja, mit der Zeit lernt man, die Gefahr zu riechen und ihr auszuweichen. Ich hatte eine höchst unterhaltsame und angenehme Reise. (Hier kam ihm aus unerfindlichen Gründen das Bild der riesigen Klistierspritze in den Sinn.)
    Sie wirken noch sehr jung, Monsieur. Wie alt sind Sie?
    Zweiundzwanzig.
    Wieder Kopfnicken, Mustern, Schnupfen. Dann eine
Handbewegung: Setzen Sie sich. Ich habe einen Auftrag für Sie.
    Später dachte Theodor lächelnd an diesen Augenblick zurück, der, soweit er sah, der einzige gewesen war, in dem er nach einem Honorar für die Mission hätte fragen können, welche, ginge es nach Wichtigkeit, zehnmal so teuer hätte bezahlt werden müssen wie die erste. In diesem solennen Moment jedoch hielt er es einfach für wenig elegant, den Schwung der Dinge mit einer Geschmacklosigkeit wie dem Schachern um Geld zu bremsen. Im übrigen hatte er Görtzens Ausführungen konzentriert gelauscht, um bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit ein möglichst faszinierendes, komisch-dämonisches Charakterbild von ihm zeichnen zu können und Lacher und Bewunderung auf seiner Seite zu wissen. Aber während er sich von den Komplimenten des schlauen Fuchses becircen ließ, nutzte der seine Eitelkeit, um ihn kostenlos für seine Sache arbeiten zu lassen.
    Aus gehörigem Abstand sagte Theodor sich aber, hätte er, vor die Wahl zwischen Komplimente und Geld gestellt, in jedem Fall die Komplimente gewählt.
    Am nächsten Tag reiste er mit Larbi, noch immer in seiner Rolle als Erbe, nach Amsterdam weiter, wo er dank eines Empfehlungsschreibens Görtzens im herrschaftlichen roten Giebelhaus des Ständerats Van Boon an der Herengracht Logis fand.
    Ihm fiel auf, daß es in seinem Zimmer keine Vorhänge gab, und er sprach den Hausherrn darauf an.
    Sie werden in keinem ehrlichen Haus der Stadt Vorhänge sehen, sagte der.
    Handelt es sich um eine Tradition oder ein Gelübde wie bei den venezianischen Gondeln?
    Keineswegs. Wir haben einfach nichts zu verbergen. Wir brauchen uns nicht zu verstecken. Aber wenn Sie es wünschen, lasse ich in Ihrem Zimmer Vorhänge anbringen. In
Versailles, wo Sie herkommen, diesem Ort der Unzucht, ist es nur zu verständlich, sich vor den Blicken anderer zu verstecken. Die dunklen Machenschaften der Papisten verlangen es geradezu.
    Der Ton van Boons, dessen nobler Adlerkopf von einer Art Doppelschnabel aus Hakennase und vorspringendem Kinn beherrscht wurde, fiel nicht etwa aus dem Rahmen. Soviel Liberalität und Freiheit wie in Amsterdam war in Paris unvorstellbar. Unzensierte religiöse Pamphlete zirkulierten, man rüffelte offen die Monarchen, es gab nichts, worüber nachzudenken, zu reden und zu mäkeln verboten war.
    An einem der ersten Tage spazierte Theodor in Begleitung des Ständerats über den Blumenmarkt zum Dam. Der hohe Herr ging, mit freundlichem Gleichmut seinen Hut ziehend, an Ratsherren ebenso vorüber wie an den mit schwärenden Wunden im Straßenstaub dahinsiechenden Bettlern oder beinlosen Geigern auf ihren Rollwägelchen.
    Theodor, dem der Anblick des Elends immer ein schlechtes Gewissen machte, warf ihnen eine Münze zu, der reiche Van Boon gab keinen Heller.
    Es ist nicht

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