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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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höchster Not zu Hilfe gekommen war. Er hatte von einer Familie seines Lehrers nie etwas geahnt, der Graf jedoch mußte darüber Bescheid gewußt und Theodors Anschuldigungen daher als freche Lügen durchschaut haben. Dennoch hatte er De Broglie entfernt und kein Wort darüber verloren.
    Das Haus, in das man Theodor bestellt hatte und das er am nächsten Morgen betrat, war unauffällig, ebenso der Raum, in dem vier Männer ihn empfingen. Sie benahmen
sich sehr förmlich und musterten ihn, als seien sie erschreckt über seine Jugend. Der Wortführer wurde von den übrigen »Herzog« genannt.
    Auf einem Tisch stand ein kupferschimmerndes Holzgehäuse, auf das der Herzog jetzt deutete. Sie wissen wohl nicht, fragte er gönnerhaft, was das hier ist? Und die übrigen Männer blickten sich fein lächelnd an.
    Doch, gewiß, versetzte Theodor blasiert und ohne den Tisch eines weiteren Blicks zu würdigen. Das ist eine Leibniz’sche Staffelwalzen-Rechenmaschine. Das einzige Exemplar in Paris.
    Eine was? rief der Herzog. Wie kommen Sie denn auf den Gedanken, daß wir eine Rechenmaschine hier stehen haben, Baron?
    Nun ja, sagte Theodor, diese Rechenmaschine ist die Zukunft, und hier geht es doch wohl um die Zukunft.
    Die Männer sahen einander an, als hätte er ein Staatsgeheimnis ausgeplaudert, das ihnen vorenthalten worden war.
    Obwohl die Staffelwalze demnächst vom Sprossenrad ersetzt werden wird, fuhr Theodor fort, eine Entwicklung, die ich selbst, wie ich in aller Bescheidenheit anmerken darf, mit Rat und Tat begleitet habe. Was wollen Sie, meine Herren, die Zukunft ändert sich eben von Tag zu Tag. Im übrigen ist zuviel Respekt nicht angebracht. Pascals Satz von den Sechseckseiten in einem Kegelschnitt läßt sich damit schwerlich beweisen.
    Ja, die Zukunft, Pascal, der Respekt, stotterte der Herzog. Sie sind wohl Mathematiker, Baron?
    Oh, nur ganz nebenbei. Es ist sozusagen eine Liebhaberei von mir. Eigentlich halte ich es mehr mit empirischen Studien als mit der Theorie, was wohl auch der Grund ist, daß Sie, meine Herren, mich hergebeten haben.
    Ganz recht, ganz recht, aber was nun diese Maschine hier betrifft, so muß ich Sie enttäuschen.

    Der Herzog blickte Theodor schuldbewußt an, und der konnte feststellen, daß sein Ton viel respektvoller geworden war.
    Was Sie hier vor sich sehen, Baron, ist lediglich ein Chiffrierapparat. Allerdings auch der erste seiner Art. Ein für das Verschlüsselungssystem von Monsieur de Vigenère konstruierter Kryptograph. Wir müssen die Briefe, die Sie transportieren sollen, schließlich sichern.
    Natürlich, beeilte Theodor sich zu antworten. Wo habe ich meinen Kopf? Sie müssen gesichert werden. Mit einem Kryptographen. Womit sonst?
    Als präsumptiver Wissenschaftler wurde Theodor im Eilverfahren ins System der mithilfe eines Schlüsselworts verknüpften sechsundzwanzig Cäsar-Alphabete eingeführt, und dachte danach betäubt: Das ist einmal nützliche Mathematik. Sofern es überhaupt Mathematik ist.
    Das Schlüsselwort kennen nur Sie, Baron, es wird nirgendwo notiert, Sie müssen es im Kopf behalten und dann dem Adressaten mitteilen, damit er mit seiner Hilfe den Brief ins reine schreiben kann. Welches Wort möchten Sie wählen?
    Amélie, sagte Theodor, und die Herren lächelten einander wissend zu und entließen ihn.
     
    Es war Theodors erste Fahrt ins Ausland, und die Lust auf die Seereise von Boulogne nach Holland, die Lust, fremde Länder und Städte zu sehen, mischte sich mit einer gewissen Bangigkeit und dem Wunsch, alles bereits hinter sich zu haben und darüber reden zu können.
    Am Abend im Gasthof in Amiens setzte er einen Brief an seine Schwester auf. Neben dem weißen Papier lag das geöffnete zweite Schreiben seiner Auftraggeber, in dem der Name des Mannes stand, den er im Haag aufsuchen sollte: des holsteinischen Kammerherrn Georg Heinrich Reichsfreiherr von Görtz, Minister seiner Majestät des Königs
von Schweden, zur Zeit in einem Gefängnis in Den Haag einsitzend und auf seine Auslieferung nach England wartend. Es ging also gegen England.
    So jung und unerfahren und letztlich desinteressiert Theodor eigentlich an Politik war, hatte er doch in den Gesprächen in Paris und bei Hofe sich ein Bild von den abgrundtiefen Niveauunterschieden zwischen der französischen und der englischen Diplomatie machen können, so daß er von den Intrigen, in denen er selbst nun plötzlich ein kleines Rädchen war, keine hohe Meinung hatte. Für die Engländer müßte man

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