Der König Von Korsika
zum Leitmotiv seines Auftretens auszudehnen.
Er saß noch am Boden, als der Graf selbst, nach einer dem Wiedersehen der Geschwister geschuldeten Höflichkeitsfrist, in der Bogentür des rechten Flügels erschien und mit ausgestreckten Armen auf ihn zukam. Ein grauhaariger, sehr schlanker kleiner Mann, nicht größer als Amélie, mit einem noblen grauen Cäsarenhaupt und eingedrückter Nase. Der leichte Schritt verriet den der Jagd frönenden Reiter. Theodor sprang auf, nahm Friedrich in den Arm, klopfte seine Hose ab und ließ sich ein wenig steif von seinem Schwager an die Brust drücken.
Mein lieber Baron, es ist mir eine Freude und Ehre, Sie kennenzulernen, sagte Trévoux. Ich warte schon lange auf diesen Moment, der die Familie erst vollzählig macht.
Theodor verneigte sich und erwiderte das Kompliment.
Im übrigen, fuhr der Graf fort, vermißt man Sie auch bei Hofe, wo ich viel nach Ihnen gefragt werde.
Theodor horchte auf. Kaum glaublich, aber sehr schmeichelhaft, sollte er tatsächlich unter der Hand, in dieser Zeit der Abwesenheit, so etwas wie einen Ruf und ein Renommee gewonnen haben.
Angesichts der respektvollen Höflichkeit seines Schwagers warf Theodor seine Vorbehalte beiseite und überlegte, womit er seinerseits dem Gastgeber eine Freude bereiten könne. Am ehesten und ehrlichsten, indem er seiner Bewunderung für den kleinen Frédéric Ausdruck verlieh, der soeben dabei war, die Geschenke seines Onkels in Augenschein zu nehmen.
Aber während er dem Vater Komplimente zu seinem Sohn machte, kam es Theodor vor, als beglückwünsche er ihn zu etwas, das eigentlich er selbst geleistet hatte, so wie ein zufriedener General, dessen Pläne sämtlich aufgegangen sind, im Überschwang des Siegs einem kleinen Husarenleutnant dafür gratulieren mag, er habe die Schlacht quasi ganz alleine gewonnen.
Er hatte das Bedürfnis, jedermann mit einem freundlichen Wort ein wenig glücklicher zu machen, sogar der Dienerin, die ihm für die beiden Etagen des ehemaligen Wehrturms, den er mit Larbi bewohnte, zugeteilt war, begegnete er mit Herzlichkeit und steckte ihr, nachdem sie sein Gepäck eingeräumt, die Betten bereitet und ein Feuer im Kamin gemacht hatte, eine Münze zu, die in keinem rechten Verhältnis zu seinen derzeitigen Mitteln stand.
Am Abend waren zu seinen Ehren Gäste geladen, einige Herrschaften aus der Umgegend, Provinzler, deren Reden und Vorstellungen so eng und borniert waren wie ihre Kleidung, Pariser Mode von vor fünf Jahren, lächerlich und der Gelegenheit wenig angemessen. Theodor, der noch keine Muße gehabt hatte, sich seiner Schwester und seinem Neffen zu widmen, mußte an sich halten und seine Ungeduld zügeln, um die Gesellschaft nicht zu vertreiben. Immerhin konnte er mit phantastischen Übertreibungen gespickte
geheime Missionen und blutdampfende Schlachten schildern – den Seekampf bei Kap Passaro hatte er fast schon zu seinen Gunsten entschieden, als eine Flotte türkischer Galeeren voller Menschenfresser angriff... – und antwortete sanft lächelnd den Kommentaren und Fragen der Eingeladenen: Man hört, dort oben im Norden waschen die Menschen sich den Leib mit kaltem Wasser? Es muß wohl eine seltsame Rasse sein, deren Haut solch eine Behandlung verträgt? Sind sie sehr behaart? Oder: Der Venezianer an sich soll ja ein rüder und haltloser Mensch sein, haben Sie das auch erlebt? Gehört Venedig eigentlich zu Frankreich, oder welcher König herrscht dort?
Wenn Theodor jedoch vom Niveau der Nachbarn auf das seines Gastgebers schloß, hatte er sich getäuscht. Als alle gegangen waren, wurde der Abend in der fast ausschließlich mit theologischen und religionsphilosophischen Büchern gefüllten Bibliothek Trévoux’ fortgesetzt, wo der Graf Theodor in eine Diskussion über die Gottesgelehrsamkeit zog, der alle seine Mußestunden gewidmet waren.
Es zeigte sich, daß Trévoux in diesen Dingen von einem unstillbaren Mitteilungsdrang war und nach kurzem in ein sonores Dozieren geriet, das Theodors ohnehin geschwächte Aufmerksamkeit gänzlich ermüdete. In altbewährter Manier begnügte er sich damit, von Zeit zu Zeit das Scheit eines Namens oder einer irgendwo aufgeschnappten These in die Glut zu werfen, um dem Feuer der Konversation Nahrung zu geben.
Amélie zeigte den ganzen Abend dieselbe gleichtemperierte, in sich ruhende Freundlichkeit, ihrem Mann gegenüber ebenso wie Theodor und den Gästen.
Trévoux sprach gerade von Bernard de Clairvaux, den Kreuzzügen und der
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