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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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vorderhand Ripperda sein Herr war, traute er dem undelikaten Glücksritter, der mit seinem Verhältnis zur Königin prahlte (wo die Farnese doch wenig wählerisch war, was die Herkunft ihrer Liebhaber-Berater anging; erst der zum Kardinal erhöhte Bauernlümmel und Krämer aus Italien, jetzt der pfeifeschmauchende Faun in Holzpantinen) doch nicht so weit über den Weg, seine Zukunft in Madrid fixieren zu wollen.
    Das Haus war noch nicht bezogen, da verloren Theodors Aktien ihren gesamten Wert, und er stürzte sich, links und rechts mit größtenteils erlogenen Sicherheiten Kredite beschaffend, in den Spekulationstrubel, um die bereits erlittenen Verluste entweder zu verzehnfachen oder in hundertfachen Gewinn umzuwandeln.
    Sein holländischer Freund und Geschäftspartner Cats, der mittlerweile ein Kontor sowie ein Kredit- und Wechselhaus in Paris unterhielt, ging ihm mit gutem Rat zur Hand, verlor jedoch rasch die Übersicht über Theodors frenetische Transaktionen, die weniger einem legitimen Willen zur Bereicherung geschuldet schienen als einer kindlichen Lust, im wilden Spielgeraufe sich als der Wildeste hervorzutun.

    Mit einer Kombination aus sturer Wut und naivster Sorglosigkeit lieh Theodor sich Geld, machte Schulden über Schulden, gewann über Nacht zehntausend Livres und verlor sie am nächsten Tag wieder. Die Bilanz dieser Berg- und Talfahrt zwang ihn schließlich, im Frühjahr 1721, Paris bei Nacht und Nebel zu verlassen, um nicht von einer Horde von Gläubigern vor Gericht gezerrt und in die Bastille geworfen zu werden.
    Die Frage ist, und sein Verhalten läßt beide Rückschlüsse zu, ob er die Gesetze der Geldwirtschaft nicht verstand oder nicht verstehen wollte und sie, sobald es ihm paßte, verächtlich ignorierte wie ein adliger Grundherr das Gemurr seiner unter der Steuerlast zusammenbrechenden Bauern.
    Das Geld, welches er für den ihm gemäßen Lebensstil benötigte, hatte dazusein, ob es gedeckt war oder nicht, ob es ihm gehörte oder nicht, darüber wollte er weder reden hören noch nachdenken müssen.
    Dabei kam es vor, daß er, gekleidet wie ein Dandy aus der Oper oder der Comédie Italienne kommend, sich mit Menschen gemein machen, reden und diskutieren mußte, oder sogar von ihnen angepöbelt wurde, im Gewoge schreiender, wahnsinniger Käufer und Verkäufer stand, ein Taschentuch vor die Nase hielt, sein Hut fiel, er wurde gepufft und gestoßen und warf sich später schluchzend vor Erniedrigung auf sein Bett, lag drei Tage krank, während die Gläubiger an der Tür kratzten. Larbi mußte ihm Lindenblütentee servieren, ein Abbé wurde gerufen, und Theodor hielt tränenreiche Beichte.
    Sein Diener verstand instinktiv, daß zwischen dem idyllischen Aufenthalt im Hause Trévoux, dem überstürzten Hauskauf und den irrsinnigen, Theodors Ruf untergrabenden Spekulationen ein Zusammenhang bestand und daß diese Selbstzerfleischung erst ein Ende haben würde, wenn man wieder einmal auf Reisen ging oder fliehen mußte, und
um eine Flucht vor ganz unterschiedlichen Furien würde es sich diesmal handeln.
    Theodor, angeekelt von sich selbst in die Kissen vergraben, wußte im ruhigen Grunde seiner Seele recht genau, was ihn umtrieb, ohne doch etwas daran ändern zu können oder zu wollen: Er führte eine Art Kampf gegen sich selbst, wollte seinem Reiseleben mit Gewalt eine Imitation von Amélies gesetzterem Dasein aufpfropfen und bemühte sich zugleich, jeden Erfolg eines solchen Unterfangens schon im Keim zu ersticken. Aber das war ein heikles Thema, und er wollte nicht zu genau darüber nachdenken und womöglich die Hintergründe seines Handelns verstehen.
    Jenseits dieser selbstgesteckten Grenzen des Nachdenkens waren es die tatsächlichen Beschränkungen seiner analytischen Fähigkeiten, die ihn wütend machten. Er verstand nicht, was genau da vorging. Er verstand nicht, wie es möglich war, daß über Nacht greifbare Werte vernichtet, arme Leute reich wurden, Schulden getilgt waren oder ins Unermeßliche stiegen.
    Cats erklärte ihm, daß in Paris auf anarchische Weise geschah, was in Amsterdam oder London auf sanfte längst passiert war. Wenn Theodor es sich aber so sehr zu Herzen nahm – was ansonsten kaum vorkam -, Dinge nicht zu verstehen, den Law’schen Bankrott, die Rolle von Papiergeld und die moderne Entwicklung des Handels, die sich vor seinen Augen abspielten und zum Tag, zur Zeit, zum Leben gehörten, dann lag das auch daran, daß in diesem Pariser Herbst und Winter sein ganzes Selbst-

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