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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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greifen. Daneben kam er in den Nachmittags- und Abendstunden seiner Aufgabe als Zeichner nach. Mit Wehmut dachte er an die Zeit in Didlington Hall zurück, wo er nicht halb soviel gefordert gewesen war. Als Komfort betrachtete es Howard schon, daß er nicht mehr wie zu Beginn der Arbeit auf dem Steinboden eines Felsengrabes nächtigen mußte, aufgeschreckt von Fledermäusen, Mungos und Skorpionen. Seit kurzem teilte sich Howard mit Newberry einen Raum im Hause von Flinders Petrie und seiner Frau Hilda, einem ebenerdigen Gebäude aus getrockneten Nilschlammziegeln. Ein starker Regenguß oder der Versuch, einen Nagel in die Wand zu schlagen, hätte genügt, das Gebäude zum Einsturz zu bringen.
    Was den Erfolg seiner Arbeit betraf, so war der in den ersten drei Tagen nach seiner Ankunft in Amarna am größten gewesen. Obwohl Flinders Petrie, der alte Fuchs, Carter eine Parzelle zugewiesen hatte, die von seinen Leuten längst durchsucht worden war, zog Howard noch ein halbes Dutzend Bruchstücke von Statuen aus dem Sand. Doch bald darauf schien seine Erfolgssträhne wie abgerissen. Wochenlang kein einziger Fund, für den es sich gelohnt hätte, Lord Amherst zu benachrichtigen.
    Howards Laune war auf dem Nullpunkt. Und auch Newberry, der bereits Erfahrung hatte als Ausgräber und wußte, daß jeder Fund ein Glücksfall war, vermochte Carter nicht aufzuheitern. Carter redete kaum noch, und wenn gab er nur Bosheiten oder Gemeinheiten von sich. Wüstenkoller nannten die Ausgräber diese Erscheinung, eine Art Krankheit, die sich mit ziemlicher Regelmäßigkeit nach einem halben Jahr Aufenthalt einstellte.
    So wunderte sich Percy Newberry auch nicht, als Howard Carter eines Tages kurz vor der Mittagspause in einiger Entfernung mit seinem Spaten auf das brüchige Erdreich einschlug und dabei wütende Schimpflaute ausstieß.
    »He, bist du verrückt geworden!« rief Newberry Howard zu; aber als der nicht nachließ, rannte er zu ihm hinüber. »Was ist los, Howard?«
    Carter schien wie von Sinnen und hackte, ohne Newberry zu beachten, weiter in den Boden.
    Da trat Newberry auf Carter zu, um ihm die Schaufel zu entreißen, als er vor sich vier oder fünf Königskobras sah – die genaue Anzahl konnte er nicht erkennen. Einige hatte Carter bereits mit dem Spaten zerteilt, zwei andere standen senkrecht mit geblähten Hälsen und drohten jeden Augenblick zuzustoßen.
    Unsicher, wie er sich in dieser Situation verhalten sollte, wich Newberry einen Schritt zurück und tat instinktiv das Richtige: Er griff in den Sand und schleuderte eine Handvoll gegen die gefährlichen Biester.
    Howard stieß einen Schrei aus. Mit dem Mut der Verzweiflung zerteilte er zuerst die eine, dann die andere Schlange, die gerade im Begriff waren, die Flucht anzutreten. Während die einzelnen Schlangenhälften im Todeskampf den Sand aufpeitschten, trat Newberry von hinten an Carter heran und zog ihn behutsam aus dem Gefahrenfeld.
    »Da hast du noch mal Glück gehabt«, meinte er, nachdem er Carter in Sicherheit gebracht hatte.
    Aber der gab keine Antwort. Er tat ein paar Schritte, dann sackte er bewußtlos zusammen.
    »Wasser!« brüllte Newberry die Arbeiter an, die den Vorgang aus der Entfernung beobachtet hatten. »Kullah!« wiederholte er, als er merkte, daß die Fellachen ihn nicht verstanden hatten.
    Zwei Männer eilten zum Grabungshaus und schleppten einen Kullah genannten Tonkrug mit Wasser herbei. Ohne zu zögern, goß Newberry den Inhalt über Carters Kopf aus, bis dieser prustend und spuckend zu sich kam.
    Howards Versuch, sich zu erheben, mißlang, er knickte ein, und Percy Newberry konnte ihn gerade noch auffangen und verhindern, daß er mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug.
    »Bringt ihn zum Grabungshaus!« bedeutete Newberry den Arbeitern.
    Die beiden Männer hoben Carter hoch, legten seine Arme über ihre Schultern und schleppten ihn so zum Haus der Ausgräber.
    Inzwischen hatte auch Flinders Petrie, der mit einer vielköpfigen Mannschaft weiter nördlich damit beschäftigt war, den Palast von Amarna auszugraben, von dem Unglück erfahren.
    »Es sieht nicht gut aus«, bemerkte Newberry, als Petrie eintraf, »er ist bei Bewußtsein, aber er macht einen verwirrten Eindruck.«
    Petrie trat in den düsteren Raum, der nur von einem runden Guckloch unter dem Dach erhellt wurde. Carter lag regungslos auf dem Rücken. Seine Augen starrten zur Decke.
    »Carter, können Sie mich hören?« rief Petrie mit lauter Stimme.
    Howard nickte zaghaft.
    »Was ist

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