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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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schöner gezwitschert und die Sonne heller geleuchtet als je in einem Sommer zuvor. Aber mit einem Mal war diese heitere Welt entschwunden, und in seinem Innersten hatte sich tiefer Schmerz ausgebreitet. Was blieb ihm übrig? Howard mußte sich in das Unabänderliche fügen.
    In Didlington Hall war inzwischen die Antwort Samuel Carters eingetroffen. Er zeigte sich von den Plänen Lord Amhersts keineswegs begeistert, wolle aber, so schrieb er, dem Glück seines Sohnes nicht im Wege stehen, so denn ein solches von einer Forschungsreise nach Ägypten zu erwarten sei.
    Für Amherst gab es keinen Zweifel, daß Howard unter diesen Umständen zusagen würde. Dennoch zog er Lady Margaret hinzu, als er am nächsten Morgen den jungen Carter zu einem Gespräch in die Bibliothek bat.
    »Mr. Carter, die Zeit wird knapp«, begann der Lord ohne Umschweife, »wie haben Sie sich entschieden?«
    Lady Margaret, die weit weniger sicher war als ihr Gemahl und die Howards ablehnende Haltung mitbekommen hatte, fügte hinzu: »Howard, Sie sind jung, und Ihnen steht die Welt offen. Es wäre töricht, wenn Sie das Angebot ablehnten.«
    Howard kam es so vor, als hätte er die Worte schon einmal gehört. Schließlich antwortete er mit wohlgesetzter Rede: »Mylady, Mylord, ich nehme Ihr Angebot an und hoffe, Sie mit meiner Arbeit nicht zu enttäuschen.«
    Für Lord und Lady Amherst blieb unübersehbar, daß Howard mit seinen Gedanken abwesend war. Es schien, als berührte ihn das Geschehen wenig; dabei betraf es seine Zukunft.
    »Sie sollten schleunigst mit dem Packen beginnen!« rief Lady Margaret aufgeregt, als wäre sie es, die nach Ägypten aufbräche. »Albert wird Ihnen einen Überseekoffer bereitstellen. Mr. Newberry ist bereits reisefertig. Oh, wie ich Sie beneide!«
    »Das Schiff sticht übermorgen in See, Mr. Carter«, ergänzte der Lord ebenso aufgeregt. »Sie sollten morgen den Mittagszug nehmen.«
    Nachdem sich Lady Margaret entfernt hatte, nahm der Lord Howard beiseite und sagte: »Ich danke Ihnen für Ihren Entschluß, Mr. Carter. Und was den Schatz betrifft, so biete ich jedem von Ihnen fünf Prozent des Wertes für den Fall, daß Sie erfolgreich sind. Aber – ich erwarte äußerste Diskretion. Die Ägypter haben Gesetze, welche die Ausfuhr von einmaligen archäologischen Funden verbieten. Aber was bedeuten schon ägyptische Gesetze! Dort kennt man nur ein Gesetz: Geld. Sie verstehen, was ich meine, Mr. Carter?«
    Howard nickte abwesend.
    »Ich bin sicher, Sie werden mich nicht enttäuschen.«
    »Ganz bestimmt nicht, Mylord.«
    Die plötzliche Eile kam Carter nicht ungelegen. Sie verkürzte seine Leidenszeit. Er ging auf sein Zimmer unter dem Dach, wo Albert, der Butler, ihm bereits einen Koffer bereitgestellt hatte, ein schmutzigbraunes Ungetüm, welches, wie verschiedene Aufkleber verrieten, schon weit in der Welt herumgekommen war. Als er ihn öffnete, schlug ihm ein fremder Geruch entgegen, und Howard schloß die Augen. So, dachte er, müsse es wohl in Indien riechen. Und er fragte sich, ob auch Ägypten einen eigenen Geruch verströmte.
    Bisher war Ägypten ein weites, fremdes Land für Carter, ein gelber Fleck auf dem großen Globus in der Bibliothek Seiner Lordschaft. Obwohl er sich seit langem mit der Kultur dieses Landes beschäftigte, hatte er nie daran geglaubt, jemals dorthin zu reisen. Selbst sein Vater Samuel war in seinem langen Leben nicht weiter als bis nach Brighton gekommen. Kein Wunder, wenn er wenig Begeisterung zeigte, daß sein Jüngster sich anschickte, ferne Länder zu bereisen.
    Die Ausmaße des Koffers waren fast zu groß für Carters bescheidenen Besitz, als Lady Margaret mit einem Bündel Kleidung erschien. Ein Forscher, meinte sie, brauche einen Tropenanzug samt Helm, Hosen aus Leinen und eine mit Filz bezogene Trinkflasche zum Anfeuchten bei großer Hitze.
    Nachdem sie alles verstaut hatten, blickte sich Lady Margaret in dem leergeräumten Zimmer um. Dabei fiel ihr Blick auf die Zeichnung an der Wand. Howard hatte sie in der Eile übersehen. Jetzt nahm er sie von der Wand und zerriß sie in tausend Fetzen.
    Lady Margaret beobachtete den Vorgang mit einem Schmunzeln. Schließlich sah sie Howard fragend an.
    Der preßte die Lippen zusammen, als fürchtete er, etwas Falsches zu sagen. Aber dann sagte er kaum hörbar und knapp: »Vorbei.«
     
     
    Um die Mittagszeit herrschte auf dem Bahnhof von Swaffham für gewöhnlich große Leere. Meist lag das dunkle Backsteingebäude verlassen, und nicht einmal

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