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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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passiert, Carter?« Petrie trat näher.
    Howard gab keine Antwort. Es schien, als formulierte er mit den Lippen eine Rede.
    »Erkennen Sie mich, Carter? Nennen Sie meinen Namen!«
    Der Junge auf der Holzpritsche nickte abermals, doch er fand keine Antwort.
    Hilda, eine Frau von herber Schönheit und energischem Charakter, steckte den Kopf durch den türlosen Rahmen und erkundigte sich, was geschehen sei. Sie trug wie immer an den Hüften ausladende Reithosen, die manches Rätsel aufgaben, und einen Tropenhelm.
    »Ein Hitzschlag vermutlich«, erwiderte Petrie, und Newberry ergänzte: »Howard kämpfte mit mehreren Kobras gleichzeitig. Dann brach er plötzlich zusammen.« Mit einem Taschentuch fächelte er Carter Luft zu.
    »Hat jemand von euch schon einmal daran gedacht, daß Howard von einer Kobra gebissen worden sein könnte?«
    Die beiden Männer wandten sich Hilda zu.
    »Nein«, meinte Newberry, »ich sah nur, wie er mit seinem Spaten auf die Biester einschlug.«
    Mrs. Petrie zischte etwas wie »Dummköpfe«, kniete sich neben Howards Pritsche und begann seinen starren Körper näher zu betrachten. »Hier!« sagte sie plötzlich und deutete auf eine kleine rötliche Pustel an Carters linker Wade.
    »Um Himmels willen, was sollen wir tun?« flüsterte Petrie. »Einer von den Arbeitern soll nach el-Hadsch Kandil laufen und den Doktor verständigen!«
    »Dummköpfe!« wiederholte Hilda, diesmal deutlich verständlich.
    Und an Flinders gewandt: »Schaff mir ein Glas und einen Krug Wasser herbei.« Dann sprang sie auf und verschwand.
    Nach wenigen Sekunden kehrte sie mit einem blitzenden Messer und einem Handtuch aus ihrer Küche zurück. »Percy, Sie halten seine Beine.« Und als Flinders mit dem Wasser zurückkehrte: »Und du hältst seinen Oberkörper fest. Verstanden?«
    Ohne zu zögern, kniete Hilda nieder, packte Carters linkes Bein mit festem Griff und zog mit dem Messer einen Längsschnitt durch die gerötete Pustel.
    Sofort quoll dunkles Blut hervor, und Mrs. Petrie half nach, indem sie noch mehr Blut aus der Wunde quetschte. Das Handtuch, mit dem sie das Blut wegwischte, färbte sich rot. Als der Blutfluß zu versiegen drohte, beugte sie sich über Carters Bein und saugte die Wunde aus. Hastig sprang sie auf und lief nach draußen, um auszuspucken. Dann nahm sie ein paar kräftige Schluck Wasser und spuckte wieder aus. Das Ganze wiederholte sie zweimal.
    Erwartungsvoll standen Petrie, seine Frau Hilda und Newberry um Carter herum.
    »Ich hoffe, meine Hilfe kam nicht zu spät«, bemerkte Hilda mit gedämpfter Stimme und wischte sich mit dem Handtuch das Blut von den Lippen.
    Petrie reichte ihr erneut das Wasserglas zum Nachspülen und meinte: »Das war nicht ungefährlich, was du getan hast.«
    Da wurde Hilda heftig: »Sollte ich Carter krepieren lassen?«
    Howard, der bis dahin regungslos dagelegen hatte, zuckte zusammen.
    »Er kommt zu sich!« rief Newberry aufgeregt.
    In starrer Haltung und ohne einen Schlag seiner Lider begann Howard Carter langsam, stockend und ohne Betonung, aber deutlich vernehmbar zu sprechen: »Dein Aufleuchten ist schön am Rande des Himmels, du lebender Aton, der zuerst lebte. – Du erfüllst jedes Land mit deiner Schönheit, wenn du dich erhebst am östlichen Rande des Himmels. Denn du bist schön, groß und funkelnd, du bist hoch über der Erde. – Deine Strahlen umarmen die Länder, ja alles, was du geschaffen hast…«
    Als stünde sein Körper unter einer gewaltigen Spannung, bäumte Carter sich kurz auf, dann sank er langsam und zitternd in sich zusammen.
    Hilda sah ihren Mann fragend an: »Weißt du, was seine Worte bedeuten?«
    Petrie nickte. »Es ist die Sonnenhymne des Pharaos Echnaton.«
    »Sir, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf« – Newberry stockte –, »von dieser Hymne sind nur Bruchstücke bekannt, zum Teil nur einzelne Wörter ohne Zusammenhang.«
    »Eben«, erwiderte Petrie und wischte sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn, »ich begreife das auch nicht.«
    »Ist er tot?« fragte Hilda zögernd.
    Newberry faßte Carters Handgelenk und fühlte seinen Puls. »Sein Herz schlägt langsam, extrem langsam, aber es schlägt!«
    Nach einer bangen Stunde traf endlich Doktor Ghazal aus dem Nachbardorf ein. »Der Esel«, entschuldigte er sich, als ihm Petries vorwurfsvoller Blick begegnete, »er blieb auf halbem Wege einfach stehen. Ich mußte ihn halb totprügeln, bis er sich zum Weiterlaufen bequemte.« Und nachdem er Carters Puls gefühlt hatte: »Er wird

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