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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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der Wartesaal, von dessen Wänden der Putz abblätterte und der in den Morgen- und Abendstunden den Färbereiarbeitern und Landstreichern Unterschlupf bot, fand Zuspruch.
    Doch an diesem Tag war alles anders. Die Zeiger der Bahnhofsuhr zeigten auf 11 Uhr 40, und Mr. Killroy, Bahnhofsvorsteher, Kartenverkäufer, Weichensteller und Kondukteur in einer Person, rückte die Schulterstücke seiner blauen Uniform zurecht und klemmte die rote Kelle unter den Arm, um den Mittagszug abzufertigen, der jeden Augenblick eintreffen mußte.
    Ein Blick aus dem vergitterten Fenster seines Amtsraumes ließ ihn staunen über den Andrang, der auf dem Bahnsteig herrschte und der seiner Bedeutung als leitender Beamter der Great Eastern Flügel verlieh.
    Es hatte zu regnen begonnen, nicht heftig, aber ein Zeichen dafür, daß der Sommer sich langsam dem Ende zuneigte.
    Zur Verabschiedung der Forschungsreisenden Newberry und Carter hatten sich Lord und Lady Amherst, die Tochter Alicia und mehr als ein halbes Dutzend Bedienstete aus Didlington Hall eingefunden. Percy Newberrys Eltern waren erschienen und seine halbe Verwandtschaft. Und natürlich ließen es sich Howards Tanten Fanny und Kate nicht nehmen, ihren Jungen mit guten Ratschlägen und kleinen Tränen zu verabschieden. Bisweilen schien es, als küßte jeder jeden, obwohl sich doch eigentlich nur zwei in die Fremde begaben.
    Howard kämpfte mit zwiespältigen Gefühlen. Für ihn war es ein Abschied von der Jugend, er war mit einem Mal erwachsen und für sich selbst verantwortlich. Hatte er, der Einzelgänger, sich das nicht immer gewünscht? Wollte er nicht immer frei sein und Herr seiner selbst? Gleichzeitig überkam ihn die bange Erwartung, ob er, der Siebzehnjährige, der gestellten Aufgabe gerecht werden würde? Er, Howard Carter, Hilfszeichner aus Swaffham?
    Überlagert wurden alle seine Gefühle von dem Schmerz, den Sarah Jones in seinem Innersten entfacht hatte. Er fühlte sich niedergeschlagen und kraftlos und zweifelte, ob er jemals wieder zu seiner alten Stärke zurückfinden würde. Die anfängliche Wut und Trauer waren einer großen Leere gewichen, und in seinem Gehirn hämmerte, sich ständig wiederholend, die Frage: Warum? Warum? Warum? Wahrscheinlich, dachte er, würde er nie begreifen, warum Sarah ihre Liebe der Vernunft geopfert hatte.
    Von Osten, wo die Geleise die Station Street kreuzten, ertönte ein schriller Signalton, und zischend und fauchend näherte sich die Dampfeisenbahn. Obwohl die kleine, stampfende Lokomotive mit ihrem hochragenden Schlot nur drei Waggons zog, wurde der Bremsvorgang zu einem ohrenbetäubenden Kraftakt. Die Bremsen kreischten, quietschten und schnarrten wie eine Herde wilder Tiere, und als der Zug endlich zum Stillstand gekommen war, hüllte sich die Lokomotive wie ein Magier in eine weiße Dampfwolke. Mr. Killroy trat auf den Bahnsteig und rief zweimal hintereinander: »Swaffham! Swaffham!«, was jedoch keiner verstand außer jenen, die den Ort ohnehin kannten.
    Die große Bahnhofsuhr zeigte 11 Uhr 45, und Mr. Killroy mahnte zur Eile: »Bitte einsteigen, Türen schließen, der Zug fährt ab!«
    Die Bediensteten wuchteten die Gepäckstücke von Carter und Newberry auf die Plattform des mittleren Waggons, und die beiden Reisenden nahmen ihre Fensterplätze ein.
    »Glückauf und viel Erfolg!« rief Lord Amherst seinen Forschungsreisenden durch die herabgelassenen Fenster zu.
    Da erschallte Mr. Killroys Stimme: »Zurücktreten. Der Zug fährt ab.«
    In diesem Augenblick erkannte Carter abseits der Menge unter dem Vordach des Bahnhofsgebäudes Sarah Jones. Sie trug jenes grüne Kostüm, das er so liebte, und winkte ihm zaghaft zu. Die kleine Geste traf Howard mit Wucht, und ohne einen Gedanken zu verschwenden, stürmte er aus dem Abteil, sprang von der Plattform auf den Bahnsteig und lief Sarah mit ausgestreckten Armen entgegen.
    Mr. Killroy bediente sich seiner Trillerpfeife und hob die rote Kelle zum Zeichen der Abfahrt. Von der Lokomotive ertönte ein kurzer Pfiff.
    Zur selben Zeit fielen sich Howard und Sarah in die Arme. Sie küßten sich heftig, während dicke Regentropfen in ihre Gesichter klatschten.
    »Sarah«, hauchte Howard atemlos, »ich wünsche dir alles Glück der Erde. Werde glücklich!« Die letzten Worte gingen beinahe unter, weil Tränen seine Stimme erstickten, aber Sarah verstand sie.
    Und während sie, wie sie es oft getan hatte, Howards Kopf zwischen beide Hände nahm und sein Gesicht mit Küssen bedeckte, rang sie

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