Der König von Luxor
Arabisch.
Das Mädchen schien seine Frage nicht zu verstehen, denn es fuchtelte mit den Händen in der Luft herum und zeigte nur auf seinen Mund.
»Du – el-Hadsch-Kandill?« Carter deutete in Richtung auf das Dorf.
»Nein.« Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Ich – Dahabija – Nilufer. Ich geflohen. Mein Name Selima.«
Howard trat näher auf das Mädchen zu, dessen Aussprache von einem schwerverständlichen Dialekt gefärbt war; aber nach kurzer Zeit hatte Carter in Erfahrung gebracht, daß Selima aus Nubien stammte, wo sie ihr Vater an einen Sklavenhändler verkauft hatte. Eine halbe Meile entfernt, am Nilufer, ankerte eine Dahabija mit über dreißig Sklavenmädchen, die zum Verkauf stünden. Selima hatte sich schwimmend ans Ufer geflüchtet. Jetzt litt sie Hunger und Durst, denn auf der achttägigen Schiffsreise von Assuan hierher habe es kaum etwas zu trinken und noch weniger zu essen gegeben.
Das Nubiermädchen tat ihm leid, und er forderte Selima auf, ihm zum Grabungshaus zu folgen.
Auf dem Weg dorthin erkundigte sich das Mädchen schüchtern, ob er, Howard, keine Sklavin benötige, sie sei zwar nicht kräftig, aber flink und in der Lage, alle in einem Haus anfallenden Arbeiten zu erledigen. Sie scheue keine Mühe. Aber an einen gewalttätigen Herrn verkauft werden wolle sie nicht. Sie sei schon zu oft geschlagen worden in ihrem Leben.
Inzwischen war es hell geworden, und das Grabungshaus der Engländer erwachte zum Leben. Newberry, der Frühaufsteher im Camp, stand bereits unter der Dusche, einer Eigenkonstruktion neben dem Hauseingang. Sie bestand aus einer Gießkanne, die an einem Balken zwischen zwei mannshohen Pfählen aufgehängt war. Man brauchte nur an der Schnur, die an dem Gießer der Kanne befestigt war, zu ziehen, und schon spritzte Wasser von oben herab.
»He, was hast du dir da an Land gezogen?« rief Newberry und schlang sich sein Handtuch um die Hüften, als er Carter und das Mädchen erblickte.
Howard fuchtelte mit den Händen, als wollte er sagen: Sei bloß ruhig. Es ist ganz anders, als du denkst, dann erwiderte er: »Sie ist eine Nubierin und heute nacht von einem Sklavenschiff geflohen. Jetzt hat sie Hunger und Durst. Ist Mrs. Petrie schon wach?«
Percy blickte ungläubig. »Von einem Sklavenschiff? Da hat sie dir wohl einen Bären aufgebunden. Die Sklaverei ist in Ägypten offiziell abgeschafft!«
»Aber warum sollte sie mich anlügen? Angeblich ankert drüben am Nil ein Schiff mit dreißig Sklavenmädchen am Bord.«
Selima nickte heftig und zeigte nach Westen in Richtung des Flusses.
Angelockt von dem Lärm vor dem Haus, trat Flinders Petrie, ebenfalls nur mit einem Handtuch bekleidet, ins Freie und erkundigte sich, was los sei.
Carter schilderte die Situation in kurzen Worten und meinte, die Nubierin mache wirklich einen geschwächten Eindruck, und die christliche Nächstenliebe gebiete es, ihr etwas zu trinken und zu essen zu geben.
Newberry blieb skeptisch. »Was sagen Sie, Sir, die Sklaverei in diesem Land ist doch längst abgeschafft. Habe ich recht?«
Petrie betrachtete das nubische Mädchen, das ängstlich seinen Blick erwiderte, dann antwortete er: »Nach den Gesetzen des Landes ist die Sklaverei abgeschafft, aber ich frage Sie, wer hält sich in diesem Land an Gesetze?«
In diesem Augenblick erschien Mrs. Petrie in ihrer gewohnten Verkleidung in Reithosen und Tropenhelm. Sie musterte abwechselnd das halbnackte Mädchen und die Mienen der drei Männer, dann setzte sie ihr süßsaures Lächeln auf, das nichts Gutes verhieß, und sagte: »Kann mir vielleicht jemand sagen, was das hier zu bedeuten hat?«
Petrie wiederholte die Erklärung, die Carter kurz zuvor abgegeben hatte, und forderte Hilda auf, dem fremden Mädchen zu essen und zu trinken und einen Fetzen zum Anziehen zu geben.
Widerwillig kam Hilda der Aufforderung nach, indem sie das Mädchen mit dem Zeigefinger in das Innere des Hauses winkte und ihm in der Küche einen Krug Wasser und übriggebliebenes Fladenbrot vorsetzte. Während Selima gierig aß und trank, trat Mrs. Petrie erneut vor das Haus, wo Petrie, Newberry und Carter beratschlagten, ob ihnen das Mädchen nicht dienlich sein könnte.
Kaum hatte Mrs. Petrie vernommen, worum es ging, da begann sie zu toben. Sie drohte, das Camp zu verlassen und nach England abzureisen, falls Petrie sich mit dem Gedanken trüge, das junge Ding – so drückte sie sich aus – im Hause aufzunehmen. Ihre Geschichte sei erstunken und erlogen. Selima wolle nur
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