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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Mitleid erregen und aus ihrem angeblichen Schicksal Nutzen ziehen.
    Plötzlich stand Selima in der Türe. Sie verfolgte die Auseinandersetzung mit ängstlichem Gesicht. Auch wenn sie die fremde Sprache nicht verstand, so war es nicht schwer, Mrs. Petries ablehnende Haltung herauszuhören. Sie hatte wohl selbst nicht daran geglaubt, bei den Ausgräbern Aufnahme zu finden. Schließlich trat sie vor Carter hin und sagte: »Selima dankt dem Effendi. Selima geht.«
    »Was meint sie?« erkundigte sich Petrie.
    »Sie bedankt sich und will fort.«
    »Sage ihr, sie soll bleiben!« rief Petrie drohend.
    Noch während Carter der Aufforderung nachkam, verschwand Mrs. Petrie ins Haus. Kurz darauf tauchte sie wieder auf, und ohne ein Wort zu sagen und mit stampfenden Schritten entfernte sie sich in westlicher Richtung.
    Flinders Petrie rannte hinter ihr her und rief: »Hilda, was hast du vor? Du weißt, du sollst nicht allein fortgehen!«
    Im Gehen drehte sich Hilda um und erwiderte: »Ich will wissen, ob sie gelogen hat. Ich will sehen, was es mit diesem Sklavenschiff auf sich hat. Stimmt es, darf sie bleiben. Wenn nicht, jage ich sie mit der Peitsche davon.«
    »Tu, was du nicht lassen kannst«, rief Petrie seiner Frau wütend hinterher. Dann kehrte er zum Haus zurück.
    Seit Stunden lag ein merkwürdiges Geräusch in der Luft, dessen Ursache niemand zu deuten vermochte. Es war ein an- und abschwellendes Brummen, als näherte sich ein riesiger Hummelschwarm.
    Auch das Nubiermädchen schien beunruhigt. Mit zusammengekniffenen Augen blickte es zum Himmel, und dabei drehte sich Selima um die eigene Achse. Nach Osten gerichtet, wo die Bergkette das Niltal einschloß, meinte sie: »Effendi, sehen Sie nur!«
    Carter blickte zum östlichen Horizont, der sich dunkel und drohend auftürmte.
    Selima rief ein Wort, das er nicht verstand. Sie wiederholte es immer wieder, aber das trug auch nicht zur Verständigung bei. Schließlich deutete sie auf eine der fliegenden Heuschrecken, die schon seit Tagen die Ebene von Tell el-Amarna bevölkerten. Das Mädchen schien äußerst beunruhigt und deutete an, sie sollten die glaslosen Fensteröffnungen des Gebäudes verbarrikadieren.
    Seit biblischen Zeiten wurde Ägypten von Heuschreckenplagen heimgesucht. Aber nachdem es niemanden gab, der ein solches Ereignis selbst erlebt hatte, herrschte die Meinung vor, daß diese Plage ausgestorben sei. Nur in Nubien, wo die Natur mit dem Menschen grausamer umgeht als anderswo auf der Welt, tauchten bisweilen noch Heuschreckenschwärme auf, die das Land nach einigen Tagen noch kahler zurückließen, als es ohnehin war.
    Petrie bezweifelte, ob von Heuschrecken eine Gefahr ausgehen könnte. Auch Newberry machte sich über die Befürchtungen des Mädchens eher lustig. Doch im selben Augenblick stürzten drei oder vier fingergroße Insekten auf ihn nieder, so daß Percy sein Gesicht hinter dem Ellenbogen verbarg.
    Carter zeigte nach Osten, wo der Himmel sich zusehends verdunkelte. Die schwarzen Wolken kamen immer näher. »Wenn das alles Heuschrecken sind«, rief er an Flinders Petrie gewandt, »dann gnade uns Gott!«
    Jetzt bekam es auch Petrie mit der Angst zu tun – zumal das Brummen über dem Tal immer stärker wurde. »Mr. Newberry, Mr. Carter, verrammeln Sie das Haus, alle Fensteröffnungen und Dachluken. Nehmen Sie Bretter, Kisten und Decken zu Hilfe. Das Mädchen soll ihnen behilflich sein. Ich selbst mache mich auf die Suche nach meiner Frau.«
    Während Flinders Petrie sich im Laufschritt entfernte, suchten Carter und Newberry Material, das geeignet schien, die Öffnungen des Grabungshauses zu verschließen. Das war nicht einfach; denn zum Schutz vor Sonne und Hitze hatte das Haus viele kleine Lichtöffnungen ohne Verglasung, und selbst die Haustüre bestand nur aus einem Holzgatter.
    »Hol Steine herbei, Selima!« befahl Carter dem Mädchen und deutete an, daß er diese zum Verschließen der Fensteröffnungen benötigte.
    Selima nickte und lief in nördlicher Richtung, wo die Grundmauern des Aton-Tempels zu erkennen waren. Wenig später kehrte sie mit zwei dünnen Steinplatten zurück, und Carter paßte sie vorsichtig in zwei Fensternischen ein. In die noch klaffenden Lücken preßte er Zeitungspapier, das hier kostbarer war als Seide – nicht nur, weil es sich zum Feuerentfachen eignete, selbst drei Monate alte englische Zeitungen fanden in dieser Wildnis noch dankbare Leser. Bretter und Pappe, die für diesen Zweck besonders geeignet gewesen wären,

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