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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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eine falsche Richtung eingeschlagen hatten, raubte ihm den Mut. Sein halbnackter Körper war übersäht von klebrigen Exkrementen der fliegenden Heuschrecken. Howard wagte nicht an sich hinabzublicken. Die Haut juckte und brannte. In der Luft lag ein eigenartiger Geruch, eine Mischung aus verfaulten Äpfeln und feuchten Zeitungen.
    Nach Howards Einschätzung mußten sie, falls sie sich in dem dröhnenden, surrenden, angsteinflößenden Chaos nicht verlaufen hatten, das Grabungshaus längst erreicht haben. Längst war die Spur, die er hinter sich in den Sand gezogen hatte, unkenntlich geworden. Überall krabbelten die Tiere auf Nahrungssuche herum. Sie mußten umkehren. Aber welche Richtung sollten sie nehmen?
    »Carter!« rief Mrs. Petrie plötzlich und zog an seinem Arm, den sie noch immer in panischer Angst umklammerte. Sie deutete nach rechts. Aber dort sah es nicht anders aus als links oder vor ihnen: überall nur ein undurchdringlicher Schwarm aufgebrachter, bösartiger Heuschrecken. Sie hingen in Trauben an Mrs. Petries Kleidern. Hilda hatte es aufgegeben, sie abzuschlagen. Statt dessen stocherte sie mit dem Arm nach rechts in die Luft, und sie schien sich ihrer Sache ziemlich sicher, denn sie drängte Howard in diese Richtung.
    Wie aus dem Boden gewachsen stand plötzlich das Grabungshaus vor ihnen. Das heißt, in seiner Niedergeschlagenheit glaubte Carter zunächst an eine Erscheinung, ein Wunschbild; denn kaum hatte er das rettende Haus schemenhaft erkannt, verschwand es auch schon wieder aus seinem Gesichtsfeld. Aber schon nach wenigen Augenblicken tauchte es wieder auf.
    Petrie, dem er so etwas am allerwenigsten zugetraut hätte, stieß einen Freudenschrei aus. Er wirkte erleichtert. Jetzt begannen auch Mrs. Petrie und Carter laut zu rufen: »Geschafft! – Wir sind am Ziel!«
    Petrie und seine Frau klopften sich gegenseitig die Heuschrecken von ihrer Kleidung. Angewidert zupfte Howard die Tiere aus seinen Haaren.
    Durch das Freudengeschrei aufgeschreckt, öffnete Newberry vorsichtig die mit Kleidungsstücken abgedichtete Türe. Carter, Flinders und Hilda Petrie schlüpften, während sie wild um sich schlugen, hinein.
    Im Aufenthaltsraum, dessen spartanische Einrichtung sich aus einem Holztisch, einem abgewetzten Ohrensessel und zwei Ottomanen zusammensetzte, die sich im rechten Winkel gegenüberstanden, hatte Newberry eine Petroleumlampe entzündet. Aus dem Glaszylinder entwich eine schwarze Rußwolke. Ihr beißender Gestank wirkte angenehm im Vergleich zu dem modrigen, morbiden Geruch außerhalb des Hauses. In einer Ecke kauerte Selima mit angewinkelten Beinen. Sie war noch immer halbnackt.
    Als Mrs. Petrie auf sie zutrat, senkte Selima ängstlich den Kopf. Hildas Anblick war nicht gerade angenehm. Dunkle, schmierige Flecken bedeckten ihre Kleidung. An ihrem Tropenhelm klebten zerquetschte Heuschrecken und Teile der Tiere. Mrs. Petrie streckte die Hand aus, tätschelte Selimas Wange und sagte: »Keine Angst, du kannst bleiben.« Und an die anderen gewandt, die neugierig Hildas Verhalten beobachteten, meinte sie: »Ich glaube, wir verdanken dem Mädchen viel.«
    Selima verstand zwar die Worte nicht, aber sie spürte den Wandel in Mrs. Petries Verhalten. Über ihr Gesicht huschte ein schüchternes Lächeln.
    Flinders Petrie sah sich um. »Gut gemacht!« meinte er im Hinblick auf die verstopften Fensteröffnungen des Hauses. »Die Heuschrecken hätten uns wohl alle aufgefressen.«
    »Heuschrecken sind Pflanzenfresser, Sir!« bemerkte Newberry.
    Carter antwortete sarkastisch: »Ich hatte nicht den Eindruck, daß dies den Tieren bekannt ist.« Dabei streckte er Newberry seinen rechten Unterarm entgegen, an dem deutlich Blutspuren zu erkennen waren.
    Erschöpft ließen sich alle drei auf den Ottomanen nieder. Carter schloß die Augen. Es kam ihm vor, als senkte sich vor ihm der Theatervorhang in einem Stück, das er nicht sehen wollte, in das er nur durch widrige Umstände geraten war. Wahrheit oder Traum? Howard stellte sich ernsthaft die Frage, ob er träumte.
    Plötzlich drangen von irgendwoher Heuschrecken in das Haus ein. Sie klatschten blindwütig gegen die Wände. Andere flogen gegen den Glaszylinder der Petroleumlampe. Newberry sprang auf und rannte zur Haustüre, wo er eine undichte Stelle vermutete. Tatsächlich krochen unter dem Türspalt ein paar Tiere in das Innere des Hauses. Percy zertrampelte sie mit heftigen Tritten.
    Howard trat mit der Lampe hinzu und leuchtete in jeden Winkel. Doch es

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