Der König von Luxor
Schätze zu interessieren. Das war nicht ehrenrührig oder verwerflich, schließlich hatte ihn auch Lord Amherst ursprünglich als Schatzsucher nach Ägypten geschickt. Aber daß ein Museumskurator nur Schätze im Kopf hatte, das kam ihm seltsam vor.
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe«, begann der Deutsche aufs neue, »dann sind Sie zur Zeit ohne Arbeit. Kein sehr erfreulicher Zustand.«
»Sie sagen es, Mr. Brugsch! Aber ich bin zuversichtlich, in Luxor etwas Neues zu finden.«
Brugsch schnippte den Stummel seiner Zigarre über die Reling und beugte sich zu Carter hinüber: »Auch wenn Sie Engländer sind, Mr. Carter, Sie sind ein Mann nach meinem Geschmack! Wollen Sie für mich arbeiten?«
Howard reagierte verblüfft: »Für die Altertümerverwaltung? Oder wie soll ich das verstehen?«
»Ich sagte, für mich, Mr. Carter!«
»Für Sie persönlich? Das verstehe ich nicht. Das müssen Sie mir erklären.«
»Die Erklärung ist ganz einfach. Was haben Sie bisher verdient, Mr. Carter?«
»Fünfzig Pfund im Jahr«, stammelte Howard, ohne nachzudenken.
»In Ordnung. Ich zahle Ihnen das Gleiche plus einer Beteiligung an allen Verkäufen von fünf Prozent.«
Howard sah den Deutschen fragend an. »Entschuldigen Sie, Mr. Brugsch, aber ich verstehe nicht, was Sie meinen. Woran wollen Sie mich beteiligen?«
Da wurde der Mann richtig zornig, und er fauchte Carter mit gepreßter Stimme an: »Nun stellen Sie sich nicht dumm! Jedes Kind in Ägypten weiß, was zwischen Assuan und Alexandria abläuft. Überall sind Schatzsucher unterwegs, in allen Hotels lungern Agenten herum auf der Suche nach Ausgrabungen, für die Sammler in aller Welt horrende Summen zahlen. Sehen Sie sich doch hier auf dem Deck einmal um! Die Herrschaften reisen doch nicht zu ihrem Vergnügen, die suchen alle nur das eine, das Gold der Pharaonen!«
Carter musterte die Passagiere auf dem Oberdeck, in der Hauptsache Männer und Einzelreisende in vornehmer weißer Kleidung. Nur wenige Paare waren darunter. Im Hintergrund stand eine stattliche Dame an der Reling und blickte auf die sanften Flußwellen hinab. Sie trug dunkle Kleidung und hatte ihr Gesicht in einen Schleier gehüllt.
»Oder hatten Sie geglaubt«, nahm Brugsch seine Rede wieder auf, »die Archäologen, die hier mit Erlaubnis der Regierung tätig sind, sind die einzigen, die sich wie Maulwürfe durch die Erde wühlen?« Er lachte hämisch, daß die anderen Passagiere auf ihn aufmerksam wurden, und fuhr dann leise fort: »Nein, Mr. Carter, was hier stattfindet, ist ein Wettlauf mit der Zeit. Wer zuerst kommt, hat die größten Chancen, das große Geld zu machen. In Luxor begegnen Sie Männern in Maßanzügen und mit eigener Yacht, die hatten vor ein paar Jahren kein einziges Paar Schuhe zum Anziehen. Woher, glauben Sie, kommt der plötzliche Reichtum? Und was mich betrifft: Von meinem Gehalt als Kurator könnte ich nicht leben…«
»Sie meinen…«
»Das ist doch kein Geheimnis! Die meisten Ausgräber haben eine zweite Einnahmequelle. Ich könnte Ihnen durchaus honorige Namen nennen.«
»Das ist eine Frage des Charakters, Mr. Brugsch!«
»Ausgräber haben keinen Charakter, Mr. Carter. Wer in den Gräbern seiner Ahnen wühlt, darf keine Skrupel kennen.«
Brugschs Kaltschnäuzigkeit, sein näselnder Tonfall und die arrogante Haltung, die er dabei an den Tag legte, empfand Howard als abstoßend. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte den Mann alleingelassen. Ihn hielt nur der Gedanke ab, daß Brugsch ihm eines Tages noch von Nutzen sein könnte. Deshalb schwieg er und leerte sein Whiskyglas in einem Zug.
»Habe ich Sie erschreckt?« erkundigte sich Brugsch vorsichtig.
Carter hob die Schultern. »Ich wußte nicht, welches Ausmaß der Schwarze Markt erreicht hat.«
»Lililililili«, tönte es, diesmal vom östlichen Ufer, schrill und durchdringend aus hundert Kehlen.
Brugsch, der vorzüglich arabisch sprach, was er seiner Frau verdankte, einer ehemaligen Haremsdame des Khediven, zitierte den Diener herbei, um sich nach der Ursache des seltsamen Geschreis zu erkundigen. Aber auch dieser, Kaschef mit Namen, wußte nicht Bescheid. Nur soviel sagte er, es sei das Klagegeschrei der Weiber, die jemandes Tod betrauerten.
»Also, was sagen Sie zu meinem Vorschlag?« Brugsch ließ nicht locker. Zwar mußte er feststellen, daß der junge Engländer nicht so einfach zu kaufen war; doch Fälle wie dieser übten auf Brugsch einen besonderen Reiz aus. »Sie können sich die Sache ja noch
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