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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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dem offenen Achterdeck, das kaum zwanzig Sitzgelegenheiten bot, über hundert drängende, lärmende Menschen auf, die zwischen zwei Kühen, einer Ansammlung von Käfigen mit Enten und Hühnern und einem Berg von Kisten und Koffern, der sich gewiß drei Meter hoch auftürmte, einen Platz für die Nacht suchten.
    Carters größte Sorge galt seiner Zeichenmappe, die ihm in Luxor zu einer neuen Anstellung verhelfen sollte. Da traf es sich gut, daß plötzlich auf dem schwankenden Bootssteg, der aus rohen Brettern gezimmert war, ein Mann von europäischem Aussehen neben ihm stand. Er trug einen schmuddeligen, ehemals weißen Anzug und darüber hinaus einen gelangweilten Gesichtsausdruck zur Schau, als machte er diese Reise nicht zum ersten Mal.
    »Entschuldigen Sie, Sir«, begann Carter, »Sie verfügen gewiß über eine eigene Kabine auf diesem Schiff.«
    Der Fremde musterte Carter abschätzend, ob er so einem wie ihm überhaupt antworten solle, schließlich bequemte er sich zu der Gegenfrage: »Was wollen Sie? Wer sind Sie? Sind wir uns schon einmal begegnet?«
    Seine Aussprache legte den Verdacht nahe, daß es sich um einen Amerikaner oder einen sehr gut Englisch sprechenden Europäer handelte. Selbstbewußt erwiderte Howard: »Mein Name ist Carter, Howard Carter, ich bin Engländer und Ausgräber. Und was Ihre letzte Frage betrifft, Sir, meines Wissens sind wir uns noch nie begegnet.«
    »So, Ausgräber sind Sie, Mister! Kommen Sie etwa aus Amarna?«
    »Ganz recht, Sir. Sind Sie etwa vom Fach?«
    Der andere überging die Bemerkung, denn er fragte zurück: »Und, waren Sie erfolgreich?«
    Carter verzog sein Gesicht. »Wie man’s nimmt, Sir. Große Schätze haben wir nicht gefunden; aber mein Chef, Flinders Petrie, meinte, für die Wissenschaft hätten wir durchaus Fortschritte gemacht.«
    Der Mann im weißen Anzug lächelte gequält: »So, so, das meint Mr. Petrie.«
    »Sie kennen ihn, Sir?«
    »Flüchtig, flüchtig. Ich bin Kurator am Museum in Kairo. Übrigens – Brugsch ist mein Name, Emil Brugsch. Nicht zu verwechseln mit meinem großen Bruder Heinrich Brugsch.«
    »Dann sind Sie Deutscher?«
    »Muß ich mich dafür entschuldigen?«
    »Nein, ganz im Gegenteil. Sie sprechen hervorragend Englisch, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
    »Ich habe längere Zeit in Kalifornien gelebt, wissen Sie.«
    Am Eingang des Schiffes trennte ein Matrose in Phantasieuniform und mit einem wilhelminischen Schnauzbart im Gesicht die Spreu vom Weizen, indem er die Dritte-Klasse-Passagiere in Richtung Achterdeck schickte und Leute wie Brugsch in den vorderen Teil des Schiffes einwies.
    »Warum ich mir erlaubte, Sie anzusprechen«, sagte Carter hastig, bevor sich ihre Wege trennten, »ich habe hier eine Mappe mit einem Stadtplan von Achetaton und Zeichnungen der einzelnen Gebäude. Die Mappe hat für mich einen hohen Wert. Ich möchte mich mit meinen Arbeiten bei Naville in Luxor vorstellen. Dürfte ich Sie bitten, die Mappe bis Luxor an sich zu nehmen? Das Achterdeck ist nicht gerade der ideale Aufbewahrungsort. Sie reisen doch auch nach Luxor?«
    Brugsch brummelte unwillig, meinte dann aber: »In Ordnung, Mister, geben Sie her.«
    Der Matrose forderte dazu auf, den Eingang freizumachen. Carter bedankte sich bei Brugsch und drängte sich mit seinem Koffer in Richtung des Achterdecks.
    Auf dem Schiff und am Ufer wuchs die Unruhe, nachdem der Kapitän die Schiffsglocke geläutet und das Kommando zum Ablegen gegeben hatte. Behäbig und gegen den Strom begannen sich die gewaltigen Schaufelräder zu drehen. Von der Strömung getrieben, neigte sich der Bug der »Ramses« zur Mitte des Flusses. Das Schiff schien flußabwärts zu treiben, und es dauerte bange Sekunden, bis die Schaufeln des Dampfers genug Kraft erzeugten und das Schiff stromaufwärts bewegten.
    Howard fand einen Platz neben einem Käfig mit vier Wildkatzen, die bei jeder Annäherung fauchten wie gefährliche Tiger. Sein Koffer diente ihm als komfortable Sitzbank und eignete sich sogar für die Nacht zum Schlafen.
    Auf dem Achterdeck reisten nur Männer. Carter war der einzige Europäer. Während er sich nicht scheute, mit den Händlern und Geschäftemachern ins Gespräch zu kommen, von denen manche dreinblickten, als reisten sie zu ihrer eigenen Hinrichtung, herrschte zunächst gedrückte Stimmung. Da begann ein junger Mann mit buschigen, dunklen Brauen, die über der Nasenwurzel zusammengewachsen waren, was ihm ein wildes Aussehen verlieh, zwei kleine, mit Fell

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