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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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bezogene Trommeln zu schlagen, ein zweiter entlockte einer seltsam geformten Flöte, welche am unteren Ende eine Ausbuchtung aufwies wie der Hals einer Kobra, klagende Töne, und ein Dritter gesellte sich mit einem Streichinstrument dazu, das nur zwei Saiten hatte und einen Resonanzkörper, der in seinem früheren Leben wohl eine riesige Wassernuß gewesen war. Zusammen machten die drei einen Höllenlärm, der die zahlreichen Tiere in den Käfigen zur Freude der Männer in Unruhe versetzte.
    Zwei Stunden mochten vergangen sein, als die »Ramses« Amarna passierte. Howard warf einen wehmütigen Blick hinüber zu dem Talkessel, wo er die letzten zwei Jahre seines Lebens verbracht hatte. Das Felsengebirge im Osten lag um diese Zeit in rötlichgoldenem Licht. Zu seinen Füßen die Stadt Echnatons und die des Tut-ench-Aton. Dort kannte er jede Mauer, die die Zeit überdauert hatte, jedes Haus, jede Straße.
    Während der Lärm um ihn herum in den Ohren schmerzte, wurde Howard bewußt, daß die vergangenen Jahre Jahre der Stille gewesen waren, Jahre des Schweigens und Nachdenkens. Manchmal hatte er einen ganzen Tag lang kein einziges Wort gesprochen, und wenn, dann hatte er mit sich selbst geredet, als stünde ein anderer neben ihm. Er war, dachte er, auf dem besten Weg, ein Eigenbrötler zu werden, ein Einzelgänger und Sonderling, ein Kauz. Vielleicht war er es schon?
    Vom Oberdeck, wo sich, abgeschirmt vom lärmenden Pöbel, die feinen Leute aufhielten, vernahm Howard eine Stimme: »He, Mister Carter! Kommt Ihnen wohl bekannt vor?« Es war Brugsch, dem er seine Mappe mit den Zeichnungen anvertraut hatte.
    Carter nickte lachend.
    »Kommen Sie doch auf einen Sprung herauf!« rief Brugsch nach unten.
    »Aber ich bin Passagier dritter Klasse!« rief Howard nach oben.
    »Das geht schon in Ordnung. Kommen Sie!«
    Die Freundlichkeit, mit der ihm der Deutsche begegnete, verwunderte Carter; doch er folgte der Aufforderung und stieg, unbehelligt von dem Wächter, der um strenge Teilung der Klassen bemüht war, die schmale Holztreppe hinauf zum Oberdeck.
    Brugsch saß in einem Korbsessel an der Reling und paffte eine dicke Zigarre. Von unten herauf drang die exotische Musik der Eingeborenen.
    »Nehmen Sie Platz, Mr. Carter!« Brugsch schob Howard einen Sessel hin und machte eine einladende Handbewegung. »Scotch Whisky?« fragte er mit einem unsympathischen Grinsen.
    »Gern«, erwiderte Carter, obwohl er Whisky nicht ausstehen konnte, weil ein einziges Glas genügte, um ihn betrunken zu machen. Aber er wollte sich gegenüber dem Deutschen keine Blöße geben.
    Brugsch winkte einen Diener in weißer Galabija herbei und gab die Bestellung auf. Dann blickte er zum linksseitigen Ufer und fragte, ohne Howard anzusehen: »Was meinen Sie, Mr. Carter, liegen in Tell el-Amarna noch Schätze aus der Zeit Echnatons verborgen? Oder ist es sinnlos, dort weiterzugraben?«
    Howard war irritiert, daß ausgerechnet der Kurator des Kairoer Museums ihm diese Frage stellte. Was sollte er antworten? Welche Absicht verfolgte Brugsch? Schließlich entgegnete er: »Mister Brugsch, Sie sind erfahren genug, um zu wissen, daß diese Frage nicht zu beantworten ist. Nirgends liegen Erfolg und Mißerfolg so nahe zusammen wie in der Archäologie. Aber vielleicht genügt Ihnen der Hinweis, daß der Egypt Exploration Fund die Grabungen eingestellt und Flinders Petrie zurückbeordert hat.«
    Der Diener servierte den Whisky, und Carter nahm einen kräftigen Schluck. Vom Ufer, über das sich langsam die Dämmerung senkte, drangen seltsame Laute herüber, ein heftiges Trillern: »Lililililili«, dem aber weder Carter noch irgendjemand auf dem Schiff eine Bedeutung beimaß.
    »Ich kann mir einfach nicht vorstellen«, begann Brugsch erneut, »daß die alten Ägypter in einer so großen Stadt wie Achetaton keine Schätze hinterlassen haben.«
    »Da sind Sie nicht der einzige, Mr. Brugsch! Die Frage ist nur wo!«
    Der Deutsche zog unruhig an seiner Zigarre und stieß in kurzen Abständen kleine Rauchwölkchen aus, die sich im Fahrtwind schnell verflüchtigten. Dann sagte er, während er gedankenverloren auf das jenseitige Flußufer blickte: »Wenn Sie von der alten Stadt einen Plan erstellt haben, Mr. Carter, dann kennen Sie doch Achetaton besser als jeder andere. Ich meine, dann müßten Sie doch auch gewisse Vermutungen haben, wo noch etwas zu holen ist.«
    Carter wiegte den Kopf hin und her. Dieser Brugsch war ihm nicht geheuer. Er schien sich für nichts anderes als

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