Der König von Luxor
nachdem die Amhersts und Lord Rockley die ›Nefertari‹ eingehend inspiziert hatten.
Lord Amherst nahm den Agenten beiseite: »Ich miete das Schiff samt Mannschaft für drei Monate.«
»Es wird Thomas Cook und Söhnen eine Ehre sein, Seine Lordschaft zufriedenzustellen. Dann darf ich Sie in unser Büro bitten. Wann gedenken Sie abzureisen, Mylord?«
»Wenn es die Lage erlaubt, noch heute.«
»Dem steht nichts im Wege.«
Es war spät im Jahr, die Hitze des Sommers hatte angenehmeren Temperaturen Platz gemacht. Vor allem vormittags wehten kräftige Winde, welche der »Nefertari« eine günstige Reisegeschwindigkeit verliehen. Nachts wurde am Ufer festgemacht. Dann knarrten die Planken, und die Mastbäume ächzten wie Zugtiere an einem arbeitsreichen Tag. In den ersten Nächten fiel es allen schwer Schlaf zu finden.
Am vierten Tag machte die »Nefertari« in der Nähe des Dorfes et-Till, südlich von Mallawi, fest. Vom östlichen Nilufer bot sich ein atemberaubender Blick auf die Wüstenebene von Tell el-Amarna und das Felsengebirge in eineinhalb Meilen Entfernung.
Die Landung einer so vornehmen Dahabija war nicht alltäglich. Für gewöhnlich sahen die Dorfbewohner die Hausboote der reichen Europäer nur in der Ferne vorüberziehen. Im Nu war die Landestelle von Einheimischen umringt, welche an Bord des Schiffes den neuen Khediven Abbas Hilmi vermuteten oder Sir Herbert Kitchener, seit kurzem Sirdar, Oberbefehlshaber der ägyptischen Armee. Weder den einen noch den anderen hatte man bisher in Mittelägypten zu Gesicht bekommen. Und so kam es, daß der Nasir von et-Till, ein alter bärtiger Scheich, und ein baumlanger Rais, die der »Nefertari« mit den übrigen Dorfbewohnern am Ufer gefolgt waren, sich in den Sand warfen und mit den Köpfen den Boden berührten, als Lord Amherst, gefolgt von Lord Rockley, Lady Margaret und Alicia, über einen schaukelnden Steg an Land ging.
Der Kapitän, er hieß Nagib Afifi und beherrschte neben der englischen und französischen Sprache auch die Sangeskunst, welche er allabendlich nach dem Festmachen mit Unterstützung einer Ukulele zum besten gab, hatte alle Mühe, den Einheimischen zu erklären, daß es sich bei den fremden Besuchern um Reisende handelte, die sich ausschließlich für die Ruinen von Achetaton interessierten.
Kaum hatte Nagib seine Erklärung beendet, sah Amherst, wie der lange Rais sich heimlich entfernte und auf seinem Esel in Richtung des Felsengebirges trabte. Mit knappen Worten wies der Lord Afifi an, auf schnellstem Weg für ihn und Rockley zwei Esel zu mieten. Ein ansehnliches Bakschisch beschleunigte den Vorgang, und die beiden Männer folgten dem Wächter.
»Was sehen Sie, Rockley?« Amherst deutete in die Ferne.
»Eine Horde Arbeiter! Hundert mögen es wohl sein, Sir. Sieht so aus, als wären es Ausgräber.« Rockley hatte alle Mühe, seinen störrischen Esel zu zügeln.
»Ja«, erwiderte Amherst, »genau so sieht es aus. Irgendwie habe ich es geahnt.« Er gab ein paar gutturale Laute von sich und beschleunigte auf diese Weise den Trab der beiden Esel.
»Ich verstehe nicht, Sir.«
»Sie werden es noch begreifen, Rockley, kommen Sie!«
Kaum hatte der Rais die Ausgräber auf dem Ruinenfeld erreicht, da stoben die Männer auseinander und flohen, ihre Werkzeuge, Hacken, Schaufeln und Körbe zurücklassend, in alle Himmelsrichtungen. Amherst und Rockley trafen nur noch auf eine Handvoll von ihnen.
»Warum laufen die Kerle alle weg?« rief Amherst, während er von seinem Esel herunterstieg.
Ein Mann von europäischem Aussehen, er trug einen heruntergekommenen Anzug und einen Strohhut auf dem Kopf, kam näher und antwortete: »Es ist Feierabend, Sir. Da werden sogar die Faulen fleißig und beginnen zu laufen.«
Amherst zog seine Taschenuhr aus der Weste, warf einen Blick darauf und entgegnete: »Um elf Uhr Feierabend?«
Der Mann mit dem Strohhut hob die Schultern.
Neben einer Mauer standen zwei Körbe mit Bruchstücken kleiner Statuen und beschrifteten Tonscherben. Lord Amherst musterte die Funde mit kritischem Blick, dann erklomm er die brusthohe Mauer und musterte die Umgebung, wo soeben noch hundert Männer gegraben hatten. »Und?« fragte er von oben herab, »wie geht das Geschäft?«
Der Gefragte verfolgte das seltsame Auftreten des Fremden mit Mißtrauen. Schließlich antwortete er unsicher: »Was meinen Sie damit?«
»Sie wollen mir doch nicht weismachen, daß Sie aus Liebe zur Wissenschaft tätig sind?«
»Sir, ich bin
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