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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Pharaos Tut-ench-Aton. Vielleicht ist das die Entdeckung des Jahrhunderts! Und da sagen Sie, wir sollten das Loch verschließen?«
    Naville verschränkte die Arme vor der Brust, als wollte er die Attacke seines Assistenten abwehren. So hatte er den jungen Carter noch nie erlebt. Aber es war dessen erste Entdeckung, und deshalb versuchte Naville, Verständnis aufzubringen für Howards Ausbruch, wenngleich er sein Verhalten ungebührlich fand. Um Carter zu beschwichtigen, meinte Naville: »Also, was Ihre Vermutung betrifft, Sie könnten auf ein Pharaonengrab gestoßen sein, so kann ich Sie beruhigen, Mr. Carter. An dieser Stelle wurde kein Pharao bestattet. Vermutlich haben wir es mit der letzten Ruhestätte eines Adligen zu tun, die hier zu Hunderten begraben liegen.«
    Dieser Naville gönnt dir deinen Erfolg nicht, dachte Carter und wurde wütend. Er vernahm eine innere Stimme, die sagte: Howard, das ist deine Chance! Nutze sie! Obgleich er äußerst erregt war, trat er nahe an Naville heran und sagte mit erstaunlich fester Stimme: »Sir, ich möchte meine Entdeckung selbst ausgraben. Bitte schlagen Sie mir diesen Wunsch nicht ab. Ich brauche zwanzig Arbeiter für drei Tage.«
    Naville reagierte so, wie Carter es befürchtet hatte, er drehte sich auf dem Absatz um und ging, ohne ein Wort zu sagen, davon. Mit langer Miene sah ihm Howard nach. Doch plötzlich, in einiger Entfernung, blieb Naville stehen und rief Carter zu: »Meinetwegen, tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber rechnen Sie nicht mit meiner Unterstützung, Mr. Carter!«
    Howard stand da wie angewurzelt. Er fühlte, wie das Blut in seinem Kopf pulsierte, ihn erhitzte und verwirrende Gedanken transportierte: Er, Howard Carter aus Swaffham/Norfolk, würde als Entdecker gefeiert in die Geschichtsbücher eingehen. Wenn nur sein Vater Samuel das erlebt hätte, er, der nichts, aber auch gar nichts von ihm gehalten hatte. Man würde ihn feiern, sein untrügliches Gespür bewundern, und die zuständigen Stellen würden ihm einen neuen, verantwortungsvollen Posten anbieten. Dies alles ging ihm durch den Kopf.
    Fröhlich wie ein kleiner Junge, der endlich das herbeigewünschte Spielzeug bekommen hat, tanzte Carter um das unscheinbare Loch im sandigen Boden von Der-el-Bahari, schaufelte mit bloßen Händen Sand in die Öffnung und freute sich, wenn dieser auf Nimmerwiedersehen verschwand. Dann sprang er auf, klatschte mit der flachen Hand auf das Hinterteil seines Maultieres, daß es einen Satz tat und mit den Hinterläufen ausschlug, und rief: »Gut gemacht, Sir Henry! Sind wir nicht ein großartiges Gespann?«
    Noch am Vormittag sammelte Carter eine Handvoll der besten Grabungsarbeiter, die auf der oberen Terrasse des Felsentempels beschäftigt waren. Mit dem Hinweis, es handle sich um ein Pharaonengrab, versetzt Howard die Mannschaft in einen Taumel der Begeisterung.
    Bis zum Abend hatten die Männer ein Gewölbe von zehn mal zwanzig Fuß abgetragen, unter dem Steinstufen zum Vorschein kamen, die steil nach unten führten und mit Sand und Geröll zugeschüttet waren.
    Die Kunde, nahe dem Tempel der Hatschepsut sei ein Pharaonengrab entdeckt worden, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Reisende, die in den Hotels von Luxor den Winter verbrachten und für jede Abwechslung dankbar waren, die sich bot, pilgerten in Scharen hinüber nach Der-el-Bahari, um Zeugen einer spektakulären Schatzsuche zu werden.
    Dem Ereignis angemessen, trug Howard Carter seinen Tropenanzug und einen Strohhut. Es kränkte ihn, daß Naville sich kein einziges Mal sehen ließ; schließlich gab sich Howard zufrieden und dachte, daß er unter diesen Umständen wenigstens den Ruhm nicht zu teilen brauchte.
    Die Spannung wuchs, als am Ende des zweiten Grabungstages, nachdem sie zwanzig steile Stufen freigelegt hatten, ein vermauertes Eingangsportal zum Vorschein kam. Hinter der Absperrung, zwischen Pfählen waren Seile gespannt, herrschte spannungsgeladene Unruhe, und nicht einmal Carters Hinweis, an eine Öffnung des Grabes sei in den nächsten Tagen nicht zu denken, zeigte Wirkung. Irgend jemand hatte das Gerücht in die Welt gesetzt, Pharaonengräber dürften nur nachts und in Anwesenheit des Khediven oder einer hochrangigen Persönlichkeit geöffnet werden. Also hielten Scharen von Neugierigen Wache, und vornehme Reisende, die sich im »Winter Palace« über jedes Stäubchen mokierten, scheuten sich nicht, die kühle Nacht unter freiem Himmel auf Decken im Sand zu verbringen.
    Am Morgen

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