Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
Vom Netzwerk:
organisierten Nacht-und-Nebel-Aktion trugen sie alle Pharaonen-Mumien hinauf auf die Klippen von Der-el-Bahari, seilten sie einzeln ab und schafften sie in das Versteck, wo sie über dreitausend Jahre unentdeckt blieben.«
    »Und wer kam ihnen schließlich auf die Schliche? Wer hat ihnen endlich das Handwerk gelegt?«
    Naville blieb stehen. Er sah Carter an. In der Dämmerung konnte Howard deutlich das Grinsen in seinem Gesicht sehen. »Sie werden es nicht glauben«, meinte er feixend, »das war Emil Brugsch.«
    Nun hätte Howard vieles für möglich gehalten, aber daß ausgerechnet Brugsch, dieser Gauner, andere Gauner dingfest gemacht haben sollte, das war schwer zu begreifen. Während sie ihren Weg in Richtung des Grabungshauses fortsetzten, erklärte Naville, wie es dazu kam: »Vor etwa fünfzehn Jahren tauchten immer mehr kostbare Funde auf dem schwarzen Markt auf, Schätze, wie man sie bisher noch nie gesehen hatte. Viele von ihnen trugen Königsnamen aus der Zeit des Neues Reiches, so daß man annehmen mußte, daß irgendwelche Gangster nicht nur ein Königsgrab, sondern mehrere entdeckt hatten. Schon damals war Brugsch in Hehlerkreisen kein Unbekannter. Er verfügte über Kontakte zur Unterwelt und erhielt deshalb den Auftrag, Scheinkäufe zu tätigen. Brugsch fragte in einschlägigen Kreisen, wo er wertvolle Funde erstehen könne, und gelangte so nach Luxor. Der Konsul Mustafa Aga Ayat und die Brüder Abd-er-Rassul boten ihm so ziemlich alles an, was auf dem internationalen Schiebermarkt gut und teuer war. Über die Herkunft der Ware schwiegen sie allerdings. Brugsch ließ nicht locker, verfolgte die Brüder auf Schritt und Tritt. Schließlich verlor Soliman, der jüngste der drei Brüder, die Nerven und legte ein Geständnis ab. Die Altertümerverwaltung in Kairo zahlte ihm sogar 500 englische Pfund. Übrigens – wie ich hörte, hält sich Brugsch wieder in Luxor auf!«
    »Ich weiß«, erwiderte Carter, »ich hatte bereits das zweifelhafte Vergnügen.«
    »Haben Sie ihn auf Ihre Pläne von Amarna angesprochen?«
    »Gewiß habe ich das. Der Versuch endete allerdings anders als erwartet.«
    Naville sah Howard fragend an.
    »Ja, Brugsch rief nach der Polizei und behauptete, ich hätte ihn bestohlen. Ich wurde verhaftet und verbrachte einen halben Tag in einer Gefängniszelle mit Räubern und Prostituierten, und nur mit Hilfe eines Bakschischs konnte ich mich freikaufen.«
    »Dieser Brugsch ist und bleibt ein Gauner. Sie dürfen sich von diesem Mann nicht einschüchtern lassen, Carter. Stellen Sie ihn zur Rede!«
    Howard nickte mutlos. Am Grabungshaus angekommen, fragte er: »Was ist eigentlich aus den Brüdern Abd-er-Rassul geworden?«
    »Sie sind nie verurteilt worden. Die beiden Jüngeren führen das beschauliche Dasein wohlhabender Privatiers, und Ahmed, der Entdecker des Mumienverstecks, wurde zum Oberaufseher im Tal der Könige ernannt. Seine Aufgabe ist es, Grabräubern das Handwerk zu legen.«
    »Sie scherzen!«
    »Keineswegs. Vergessen Sie nicht, Carter, wir sind hier in Ägypten!«
     
     
    Die Verbindung zu Lord Amherst und Lady Margaret war seit dem Ende der Arbeiten in Tell el-Amarna abgerissen. Carter hatte sich in einem Brief für die Erfolglosigkeit seiner Arbeit entschuldigt und den Verlust der Pläne von Amarna gemeldet, aber Seine Lordschaft hatte es, wohl aus Enttäuschung, nicht für nötig gefunden, darauf zu antworten.
    Deshalb konnte er nicht wissen, daß Lord Amherst am Tag zuvor in Ägypten eingetroffen war. Der Lord reiste mit Lady Margaret, Tochter Alicia und deren Verlobtem Lord Rockley sowie dem Butler Albert und Emily, der Kammerzofe. Kein Wunder also, daß die Reisenden, als sie in Alexandria an Land gingen, vier Doppelphaetons benötigten, welche sie samt Personal und umfangreichem Gepäck zum Bahnhof transportierten.
    Bis auf wenige Ausnahmen waren die Spuren der Zerstörung beseitigt, die die britische Flotte in die Stadt geschlagen hatte. Auf dem Mohammed-Ali-Platz und in der Straße der europäischen Konsulate sah man neue, prachtvolle Bauten. Und wie in früheren Zeiten wurde das Stadtbild weitgehend von Europäern beherrscht.
    »Sieh nur, Mama!« rief Alicia und zupfte Lady Margaret am Ärmel. Die Kutsche bog auf den Bahnhofsvorplatz ein. Vor ihnen wuchs ein Märchenschloß aus dem Boden mit Erkern und Türmchen, blau und rot gefliesten Wänden und spitzbogigen bunten Glasfenstern. Schlanke Säulen umrahmten das Eingangsportal. Victoria Station in London wirkte gegen

Weitere Kostenlose Bücher