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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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wie ein Wagenrad, im Haus verteilt. Wer sich ihnen auf mehr als drei Schritte näherte, wurde gefangen von dem Anblick bunter Blütenblätter und einem Duft, der, wenn man sich länger in der Nähe aufhielt, den gierigen Schnüffler in einen rauschhaften Zustand versetzte. Dem nicht genug, drängte sich eine Waschkolonne durch die Reihen, bestehend aus drei Lakaien in gelb-grünen Pluderhosen und mit einem Turban auf dem Kopf, von denen der erste den Gästen, die das wünschten, parfümiertes Wasser aus einer Kupferkanne über die Hände goß, das der zweite mit einer Schale auffing, während der dritte die gereinigten Hände trocknete.
    »Beinahe so vornehm wie in meiner Pension, im ›Maamura Palace‹«, raunte Carter Lady Elizabeth zu und ließ die Waschung über sich ergehen, als sei es die größte Selbstverständlichkeit. Der Geruch, der ihm dabei in die Nase stieg, jagte ihm einen wohligen Schauer über den Rücken.
    Lady Collingham lachte. »Ob so eine Waschung Sinn macht, darüber kann man streiten. Vermutlich wäre Seife für manchen nützlicher als Parfüm. Aber etwas muß man dem Aga lassen – er hat Stil.«
    »Und Geld!« fügte Howard hinzu.
    Und Elizabeth ergänzte: »Wobei das eine meist der erklärte Feind des anderen ist.«
    Wie auf sein Stichwort näherte sich Mustafa Aga Ayat aus dem Hintergrund. Nachdem er Lady Elizabeth mit Komplimenten überhäuft hatte, wobei er weder ihr entzückendes Kleid noch die gepflegte Frisur ausließ, wandte er sich Carter zu: »Ich habe viel von Ihnen gehört, mein Freund«, log er in der Art eines Teppichhändlers im Basar, »wieso sind wir uns nicht schon früher begegnet? Sie wissen, ich bin ein großer Sammler von Ausgrabungen und Kunstschätzen der alten Ägypter.«
    Carter hob die Schultern und erwiderte: »Exzellenz, hochverehrter Aga, das liegt zum einen an meiner Jugend, die mir bisher noch keine größeren Erfolge als Ausgräber beschieden hat, zum anderen arbeite ich noch nicht so lange hier in Luxor.«
    »Und das Pharaonengrab in Der-el-Bahari?«
    »Das wäre beinahe Grabräubern zum Opfer gefallen. In der vergangenen Nacht haben sich vier Gangster bis an den Eingang herangearbeitet. Ich mußte eine Truppe von zehn bewaffneten Männern einsetzen, um sie zu verjagen.«
    »Und? Haben Sie die Räuber gefaßt?« Ayat tat entrüstet.
    »Nein«, erwiderte Howard.
    »Haben Sie Spuren gefunden oder gibt es einen Verdacht?«
    »Den gibt es allerdings. Aber ich möchte nicht darüber sprechen, solange ich über keinen Beweis verfüge.«
    Mustafa Aga Ayat schien verblüfft. Dann meinte er: »Sie werden mich doch zu der Graböffnung einladen, Mr. Carter? Die ersten Gäste haben sich ja, wie Sie sehen, bereits eingefunden. An welchem Tag soll der große Augenblick stattfinden?«
    »Mittwoch!« antwortete Howard gelassen. »Und natürlich sind Sie eingeladen, Sir!«
    Plötzlich klatschte der Aga in die Hände, und Howard glaubte zuerst, er freue sich über die eben ausgesprochene Einladung, doch dann bemerkte er, daß dies das Zeichen war, das Essen aufzutragen. Aber wie das geschah, das machte nicht nur Howard und Lady Collingham staunen.
    »Sehen Sie nur, Howard!« rief Elizabeth entzückt und drückte seine Hand, als käme ihr unheimlich vor, was sich vor ihren Augen abspielte: Die Lakaien hatten in der Mitte des Raumes einen Kreis gebildet. Wie von Geisterhand gesteuert, öffnete sich der Boden, und aus der Tiefe kam ein mit bunten, duftenden Speisen beladener runder Tisch empor, mindestens drei Meter im Durchmesser und mit einer Glasplatte, die von unten beleuchtet wurde. Möglich machte dieses Wunder elektrischer Strom, eine zweifellos nützliche, aber kostspielige Erfindung, die sonst nur in großen Hotels bewundert werden konnte.
    Unter den festlich illuminierten Speisen ragte in der Mitte ein knusprig gebratener Truthahn hervor, dem zur Garnierung sein altes Federkleid und ein roter Porzellankopf aufgesetzt worden war. Darum herum reihten sich edle Fische, fett und manche zwei Ellen lang, Seewolf und Lachse, gekocht und gebraten, Küken und fremdländische Singvögel, am Feuer gegrillt und zu Pyramiden aufgehäuft, Lammkeulen, auf Silber drapiert, und gebratenes Rindfleisch als Zugeständnis an die europäischen Gäste, in dünne Scheiben geschnitten. Rote, gelbe und lila Blüten wirkten wie Farbtupfer auf einem zum Verzehr bestimmten Gemälde.
    Abermals klatschte der Aga in die Hände, und die Lakaien begannen, den Gästen weiße, fein bestickte Servietten

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