Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
Vom Netzwerk:
um den Hals zu binden. Da half kein Zieren und Zaudern, alle Anwesenden mußten die Prozedur über sich ergehen lassen. Erst dann wurde ihnen ein Tellerchen ausgehändigt. Messer und Gabeln gab es nicht. Man bediente sich mit den Fingern und benutzte sie auch, um die Speisen vom Teller in den Mund zu bringen.
    Carter kam mit dem seltsamen Brauch eher zurecht als Lady Collingham. Die wandte sich mehrmals hilfesuchend an ihren Begleiter, wenn es darum ging, Fischstückchen, Reis oder eine der feurigen Soßen zum Mund zu führen.
    Während die Europäer im Stehen aßen, machten es sich die Ägypter mit gekreuzten Beinen auf den Teppichen bequem. Das bot die Gelegenheit, sie beim Essen unbemerkt zu beobachten. »Ich wußte nicht, daß man Brot als Löffel gebrauchen kann«, meinte Lady Collingham und wies mit dem Kopf auf einen großwüchsigen Ägypter, der ein Stück Fladenbrot in handliche Teile zerriß, sie zu einer Art Kelle formte und so die Soße aus dem Teller schlürfte.
    »Alles nur Übung«, bemerkte Carter, der die Geschicklichkeit des finster dreinblickenden Mannes staunend verfolgte. »Eines weiß ich«, fuhr Howard fort, »sollte ich noch einmal zu einem Fest wie diesem eingeladen werden, bringe ich einen Löffel mit oder besser zwei – einen für Sie, einen für mich.«
    Es schien, als habe der Ägypter bemerkt, daß er beobachtet wurde, denn kaum hatte er den letzten Bissen verschlungen, da erhob er sich und trat auf die beiden zu. »Sie dürfen nicht glauben, daß alle Ägypter so essen wie ich. Ich bin nun mal ein Bauer und habe keine anständige Erziehung genossen. Meine Brüder und ich konnten froh sein, wenn wir überhaupt etwas zum Essen hatten. Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle, mein Name ist Ahmed Abd-er-Rassul.«
    »Howard Carter«, entgegnete Carter, »und das ist Lady Collingham.«
    »Ich weiß.« Der Mann mit dem finsteren Blick versuchte ein freundliches Lächeln. »In Luxor kennt jeder jeden. Und selbst ein Fremder ist nach zwei Tagen hier kein Fremder mehr. Ein Wunder, daß wir uns noch nicht begegnet sind.«
    »Sie sind Aufseher im Tal der Könige?« fragte Howard, obwohl er die Biographie Abd-er-Rassuls genau kannte.
    »Oberaufseher!« korrigierte der Ägypter. »Können wir uns einen Augenblick unterhalten? Ich meine unter vier Augen, von Mann zu Mann.«
    »Ich wüßte nicht, was Lady Collingham nicht hören dürfte. Worum geht es?«
    Ahmed Abd-er-Rassul verdrehte die Augen, als litte er Höllenqualen. Elizabeth sah es und zog sich zurück. Zufrieden trat Ahmed neben Carter hin, und ohne ihn anzusehen, aber so, daß er die Gesellschaft im Blickfeld hatte, begann er: »Es geht um Ihre Entdeckung, Mister. Gratulation. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was Sie hinter der Mauer erwartet? Ich meine, haben Sie irgendwelche Hinweise gefunden?«
    »Nicht einen einzigen, leider. Aber warum interessiert Sie das, Mr. Abd-er-Rassul?«
    »Nun ja, es könnte ja sein, daß Sie auf kostbare Schätze stoßen, für die sich sonst niemand interessiert. Ich hätte durchaus interessierte Abnehmer. Und für Sie wäre es ein einträgliches Geschäft.«
    Carter glaubte, er habe sich verhört. Dieser Abd-er-Rassul, der von der Altertümerverwaltung bezahlt wurde, um den Schwarzhandel mit Ausgrabungen zu unterbinden, forderte ihn zum Schwarzhandel auf.
    »Wie stellen Sie sich das vor?« zischte Carter entrüstet. »Ich habe für Mittwoch dreißig Leute eingeladen, darunter den Aga Ayat. Sie werden Augenzeugen sein, wenn ich das Grab öffne!«
    »Was den Aga betrifft, kann ich Sie beruhigen, Mr. Carter, wir arbeiten beide Hand in Hand. Sie dürfen nicht glauben, Ayat habe das alles hier in seinem Amt als Konsul verdient. Nein, Mr. Carter, da drüben am anderen Nilufer sind Geldschränke vergraben. Die meisten sind schon leergeräumt, aber es werden immer neue entdeckt. Vermutlich hatten Sie das Glück, einen solchen Geldschrank zu finden. Der Aga hat mich ermächtigt, Ihnen ein Angebot zu machen: Zweihundert englische Pfund, wenn Sie die Wachposten bis Mittwoch abziehen und uns bis dahin das Grab überlassen.«
    »Zweihundert Pfund?« rief Carter mit gedämpfter Stimme.
    »Nun gut, sagen wir dreihundert Pfund. Aber das ist mein letztes Wort.«
    Carter schossen tausend Gedanken durch den Kopf. Daran, daß er in Ägypten reich werden könnte, hatte er noch nie gedacht. Die Aussicht, auf einen Schlag dreihundert Pfund zu verdienen, verwirrte ihn. Dreihundert Pfund, das war der Grundstock für ein kleines

Weitere Kostenlose Bücher