Der König von Luxor
Gangstern gelungen, sich Zugang zum Inneren des Grabes zu verschaffen?
Auf der obersten Stufe flackerte eine große Petroleumlampe, eine zweite hüllte die unteren Stufen in diffuses Licht. Tatsächlich hatten die Grabräuber sich bis an das zugemauerte Portal vorgearbeitet. Doch die Lampe warf so ungünstige Schatten auf die Wand, daß Howard nicht in der Lage war zu erkennen, ob die Gangster ein Loch in die Mauer geschlagen hatten.
Mit gemischten Gefühlen stieg er die Stufen hinab. Ihm war nicht wohl in seiner Haut, denn als er auf halbem Weg nach oben blickte, sah er in die verwegenen Gesichter der Männer, die jeden Tritt argwöhnisch verfolgten. In ihrem Eifer hielten einige den Lauf ihrer Gewehre auf ihn gerichtet.
»Was sehen Sie, Mr. Carter?« rief Sayyed von oben in den Schacht.
Howard betastete das Mauerwerk mit beiden Händen, um sich zu vergewissern, daß der Eingang keinen Schaden genommen hatte. Dann rief er: »Wir haben noch einmal Glück gehabt, Sayyed. Alles in Ordnung!«
Von Kurna herüber hörte man, ausgelöst durch die Schießerei, hundertfaches Hundegebell. Aber obwohl die Schießerei gewiß Meilen weit zu hören gewesen war, schien sich niemand aus dem Dorf dafür zu interessieren.
Aus der Dunkelheit tauchte plötzlich Naville auf. Er war nur halb bekleidet und rief, weil er Howard nicht sehen konnte: »Carter! Wo ist Mr. Carter?«
Sayyed deutete auf den Schacht, aus dem der Lichtschein kam.
»Was ist passiert? Ist jemand verletzt?« rief Naville aufgeregt.
Carter kam nach oben und hob beschwichtigend die Hände. Im Schein der Petroleumlampe, die ihr Licht von unten auf ihn warf, sah Howard aus wie ein Gespenst. »Noch einmal gutgegangen«, antwortete er militärisch knapp. »Glück gehabt.«
Naville wischte sich den Schlaf aus den Augen, trat an den Schachtrand und blickte in die Tiefe. Dann schüttelte er den Kopf und sprach: »Unglaublich. Und das alles in einer Nacht! Wie lange haben Sie gebraucht, um den Eingang freizulegen, Mr. Carter?«
»Beinahe drei Tage, Sir! Und ich hatte zwanzig Männer. Soweit wir sehen konnten, waren das hier nur vier. Wirklich unglaublich!« Er warf einen Blick auf die herumliegenden Körbe, welche die Gangster zurückgelassen hatten.
»Ich dachte, Sie hätten Wachen aufgestellt?«
Howard hob die Schultern. »Das hatte ich auch; aber Sie sehen ja, Sir!«
»Und wer hat Ihnen den Coup gemeldet?«
Carter deutete auf Sayyed, der abseits bei seinen Männern stand. »Mein Freund Sayyed«, antwortete er. »Er stand mitten in der Nacht vor meinem Bett. Seine Männer warteten schon. Der Einsatz hat mich zwei Pfund gekostet.«
»Ein angemessener Preis für ein Unternehmen dieser Art. Vorausgesetzt…«
»Ich weiß, was Sie sagen wollen, Sir! Vorausgesetzt, hinter dieser Mauer da unten liegt tatsächlich ein Pharaonengrab verborgen – stimmt’s?«
»Stimmt.«
»Sie sind also noch immer skeptisch?«
Naville gab keine Antwort. Wortlos entfernte er sich.
Über dem Nil im Osten graute der Tag, und allmählich wurden die Spuren sichtbar, welche die Grabräuber hinterlassen hatten. Schaufeln, Hacken, Eimer und Körbe lagen im Sand verstreut; doch sie gaben keinen Hinweis auf die Täter.
Sayyed schickte seine Männer nach Hause und erbot sich, bis zur Öffnung des Grabes eine bewaffnete Wachmannschaft zu stellen. In diesem Fall, so beteuerte er, seien die Schätze sicher wie in der Bank von England.
Während Carter und Sayyed um die Kosten des Unternehmens feilschten, fiel sein Blick auf ein kleines, blitzendes Etwas, halb von Sand bedeckt. Howard hob es auf: Es war ein Taschenmesser. Im Durcheinander mußte es einer der Räuber verloren haben. Auf der einen Seite trug das Messer ein Markenzeichen, auf der anderen Seite eine Gravierung: »E.«
Howard schüttelte den Kopf.
K APITEL 17
Das Haus des Agas, unweit des Luxor-Tempels, glich einem Märchenschloß. Ayat hatte es erst vor wenigen Jahren erbaut, weil sein altes Haus abgerissen werden mußte. Wie eine Trutzburg thronte es einst auf dem Dach des Tempels, der damals noch unter Schuttmauern begraben lag. Die Aussicht soll atemberaubend gewesen sein.
Für sein neues Haus hatte es Mustafa Aga Ayat, den der Reichtum verfolgte wie andere die Armut, an nichts fehlen lassen. Es gab elektrisch betriebene Beleuchtung, mehrere Badestuben mit fließendem Wasser und Springbrunnen im Inneren wie auch im Park des Hauses.
Neben dreißig Domestiken, in der Hauptsache Männer, verfügte der Konsul
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