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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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über eine eigene Wachtruppe, die in weiße Uniformen gekleidet und mit blitzenden Gewehren ausgerüstet war. Bei festlichen Anlässen wie einer »Fantasia«, zu der der Konsul zweimal im Jahr illustre Gäste lud, um sich mit ihnen bei Musik, Tanz, gutem Essen und mehr oder weniger geistreichen Gesprächen zu ergötzen, standen die uniformierten Wachen vor dem Eingang Spalier.
    Zur Begrüßung hoher Gäste, etwa des preußischen Konsuls, der mit Ehefrau und Tochter seine Aufwartung machte, pflegte die Wachmannschaft beim Eintreffen auf ein geheimes Zeichen drei Ehrensalven abzufeuern, worauf die übrigen Gäste, die in langer Reihe anstanden, um dem Hausherrn die Hand zu schütteln, jedesmal in Hochrufe ausbrachen.
    Nun hatte das geheime Zeichen beim Eintreffen des Mudirs von Kena und des Direktors der Altertümerverwaltung, ja sogar als der Direktor des Telegraphenamtes von Luxor mit der ansehnlichsten seiner drei Frauen erschien, die rechte Wirkung gezeigt; aber als der Konsul aus Berlin den roten Teppich betrat, der vom Park bis zu den Marmorstufen des Eingangs ausgelegt war, da blieben die Uniformierten steif und ohne Regung.
    Der Zufall wollte es, daß Lady Elizabeth Collingham und Howard Carter just hinter dem preußischen Konsul das Eingangstor passierten. Und auch wenn sie ein schönes Paar waren, hätte ihre Anwesenheit nicht mehr Aufmerksamkeit erregt als die vieler anderer Gäste. Doch eine unerklärliche Verspätung des Geheimzeichens bewirkte, daß die Soldaten ihr Ehrensalut erst in dem Augenblick abfeuerten, als Howard und Lady Elizabeth eintraten. Sogleich entstand eine heftige Diskussion über die Identität und den gesellschaftlichen Rang des jungen Paares. Wilde Gerüchte kursierten, bis sich schließlich die einhellige Meinung verbreitete, bei dem jungen Mann handle es sich um einen berühmten Ausgräber, der jenseits des Nils ein Pharaonengrab entdeckt habe. Nächste Woche wolle er es öffnen. Die Dame sei seine Geliebte, eine vornehme Lady der Londoner Gesellschaft.
    Bis Howard und Elizabeth, die das Getuschel mehr genoß als ihr Begleiter, an der Reihe waren, um dem Aga die Hand zu schütteln, war das Gerücht längst bis zu Ayat vorgedrungen. Und so begrüßte Mustafa, eine große, stattliche Erscheinung mit dunklen Haaren und listigen kleinen Augen, dazu vornehm gekleidet wie ein Pascha, Howard mit den Worten: »Sir, es ist mir eine Ehre, daß Sie meiner Einladung Folge leisten. Sie müssen mir unbedingt von Ihrer Entdeckung erzählen.« Der Handkuß, den Mustafa Aga Ayat Lady Collingham zukommen ließ, mißlang, weil seine Nase ziemlich ausladend und für derlei Gunstbezeugungen ungeeignet war.
    Zum Glück hatte Howard einen neuen Anzug erstanden, weiß und nach neuestem Schnitt, so daß er sich neben Lady Elizabeth durchaus sehen lassen konnte. Nicht einmal in englischen Adelskreisen hatte Howard so prächtige Garderoben gesehen wie an diesem Abend. Die meisten Damen trugen luftige Kleider mit weiten Röcken und großzügigen Dekolletés. Einige Herren waren im Frack erschienen, nach Landessitte mit einem roten Fes auf dem Kopf. Es gab aber auch Herren – und das waren keineswegs nur Ägypter –, die eine weiße Galabija bevorzugten, und mit der artfremden Kleidung machten sie durchaus keine schlechte Figur.
    Im Empfangsraum des Hauses, der von zahllosen elektrisch beleuchteten Glaskugeln in gelbes Licht getaucht wurde, herrschte großes Gedränge. Es mochten wohl hundert Gäste sein oder mehr, die sich hier aufhielten und lautstark bemüht waren, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Denn die fünf Musikanten, welche ihren zwei Geigen, einer Flöte, einer Darrabonka und einem Tamburin klagende Töne und wilde Rhythmen entlockten, legten sich so heftig ins Zeug, daß man ernsthaft befürchten mußte, die kostbaren Gläser und das feine Porzellan, welches in offenen Vitrinen herumstand, könnten zerspringen.
    Der Boden aus ockerfarbenem Marmor war mit rot-blau gemusterten Teppichen belegt, und pralle Sitzkissen aus Seide, mit Quasten und Troddeln verziert, luden dazu ein, Platz zu nehmen. Wasserpfeifen aus Messing und Elfenbein, die größten beinahe mannshoch, standen zu Dutzenden herum und warteten glimmend auf ihren Einsatz. Holzkohle, Tabak und Hanf und das Rosenwasser, durch das der Rauch der Nagile gefiltert wurde, verbreiteten einen betörenden Geruch. Doch war dies nur eine von mehreren Duftquellen. Zur Freude von Augen und Nase hatte der Aga Schalen mit getrockneten Blüten, groß

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