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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Medinet Habu, nach Der el-Medine oder ins Tal der Könige, um nach dem Rechten zu sehen. Meist hinterließ er an einem Säulenstumpf oder am Mauerwerk, das aus dem Sand ragte, eine Nachricht für die Ausgräber, die erst eine Stunde später am Einsatzort eintrafen. Auf diese Weise schien Howard Carter allgegenwärtig, und auch dies trug nicht gerade zu seiner Beliebtheit bei.
    Über fünf Stunden war Howard schon auf den Beinen, als er gegen zehn den Nil überquerte. Dazu benutzte er die Dahabija der Altertümerverwaltung, die ihm samt zweiköpfiger Besatzung zur Verfügung stand.
    Er wollte gerade eine Droschke besteigen, um sich nach Karnak zu begeben, als neben ihm ein zweispänniges Landaulet anhielt. In der Kutsche saß Leila, wie eine Europäerin gekleidet, in einem langen, engen Rock und einer dünnen Seidenbluse, das dunkle Haar zu einem langen Zopf geflochten.
    »Wohin des Wegs zu so früher Stunde?« fragte Leila lachend und rutschte, um näherzukommen, auf die andere Seite der Sitzbank.
    »Nach Karnak«, brummte Carter unwillig und schulterte sein Gewehr.
    »Und um dorthin zu gelangen, brauchen Sie so ein Schießeisen?«
    »Allerdings«, erwiderte er knapp. Carters Zurückhaltung war nicht unbegründet. Zwar gefiel ihm Leila über alle Maßen gut. Ihre aufregende Figur, die geschmeidigen Bewegungen und das Feuer ihrer Augen waren geeignet, jeden Mann zu verwirren. Aber seit ihrer letzten Begegnung hatte sich viel ereignet. Bei aller gegenseitigen Sympathie beschäftigte Howard die Frage, ob Leila von Ayat nicht auf ihn angesetzt worden war, um ihn von seiner Aufsehertätigkeit abzuhalten.
    Leila neigte den Kopf zur Seite. »Was haben Sie, Mr. Carter, wir hatten doch erst neulich so einen schönen Abend?«
    Howard ging über die Straße und trat ganz nahe an die Tänzerin heran. Dann sagte er mit gespielter Ruhe: »Ich wäre Ihnen beinahe auf den Leim gegangen. Aber nur beinahe, Miss Leila.«
    Leila verstand nicht, was er meinte, jedenfalls hatte es den Anschein, als sie ihn ansah: »Was soll das heißen, Mr. Carter? Womit habe ich Sie beleidigt?«
    »Damit, daß Sie mich für dümmer halten, als ich bin. Mag ja sein, daß es Ihnen leichtfällt, andere Männer um den Finger zu wickeln. Aber nicht Howard Carter aus Swaffham in Norfolk! Ihre Gunstbezeugungen waren nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver, damit Mustafa Ayat in Ruhe seinen dunklen Geschäften nachgehen konnte. Denn während wir uns näherkamen, raubte der Aga mit seinen Leuten die Mumie des Pharaos Amenophis und schaffte sie in ein Versteck im Garten des Hotels ›Luxor‹. Gut ausgedacht, Miss Leila, aber eben nicht gut genug.«
    Wütend sprang Howard in seine Droschke und rief dem Kutscher zu: »Karnak. Aber schnell!« Dann preschte er davon.
    Die gewaltige Tempelanlage lag um diese Zeit still und verlassen, und Howard wußte selbst nicht zu sagen, wonach er eigentlich suchte. Während er durch den Sand stapfte, hörte er Schritte hinter sich. »Mr. Carter, ich muß mit Ihnen reden!« Es war Leila, die ihn bis nach Karnak verfolgt hatte.
    »Was gibt es da noch zu reden«, meinte Howard abweisend. »Erfüllen Sie weiter Ihre Aufgaben für Ayat, aber lassen Sie mich aus dem Spiel. Mir machen Sie nichts vor, Miss Leila.« Zornig setzte er seinen Weg fort.
    Leila gab nicht auf. Sie folgte Carter wie ein treues Hündchen. »Sie müssen mir glauben, daß ich von diesen Machenschaften nichts gewußt habe. Ich würde mich nie für so etwas hergeben!«
    Howard blieb stehen und sah Leila von der Seite an, als wollte er sagen: Und das soll ich Ihnen glauben?
    »Es ist wahr«, sagte Leila und warf Howard einen flehenden Blick zu. »Welchen Grund hätte ich sonst, Ihnen hinterherzulaufen? Mir ist nicht unbekannt, daß Ayat dunklen Geschäften nachgeht; aber damit habe ich nichts zu tun.« Zaghaft ergriff Leila Carters Hand wie ein Kind, das die Nähe des Vaters sucht.
    Howard wagte nicht, seine Hand zurückzuziehen. Er fühlte Zartheit und Wärme, und die Situation war ihm alles andere als unangenehm.
    »Warum sagen Sie nichts, Mr. Carter?« fragte Leila fordernd.
    »Was soll ich dazu sagen? Ich kann Ihnen nur glauben oder nicht, und das eine fällt mir so schwer wie das andere.«
    Enttäuscht ließ die Tänzerin Howards Hand los, sie drehte sich um und wollte wortlos davongehen.
    Da rief ihr Carter hinterher: »Nun seien Sie doch nicht gleich beleidigt. Ich will Ihnen ja glauben.« Er wunderte sich selbst, wie schnell es Leila gelungen war, ihn

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