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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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beginnen, dann ist das nicht anders, als stocherten wir in einem trüben Gewässer nach einem Goldring. Die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich zu sein, ist eher gering.«
    »Das höre ich nicht zum ersten Mal, Mr. Carter. Der Altertümer-Direktor in Kairo meinte, es gebe im Tal der Könige keinen Stein, der nicht schon dreimal umgedreht wurde. Das Tal sei erforscht bis in die letzte Felsspalte.«
    »Das hat schon der Riese Belzoni vor beinahe hundert Jahren behauptet und nach ihm Adolf Erman, der hier ein halbes Leben verbracht hat. Dabei wurden erst nach ihnen die bedeutsamsten Entdeckungen gemacht. Allerdings wurde nie das ausgegraben, wonach man suchte. Mit den Entdeckungen der Archäologie ist es so wie mit allen großen Erfindungen – die bedeutsamsten verdanken wir nicht dem menschlichen Geist, sondern dem Zufall.«
    Während Davis den Blick über den Talkessel schweifen ließ, dachte er nach. Nein, was der junge Carter da vorbrachte, klang nicht gerade ermutigend. Aber Davis kam aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo das Wort »impossible« ein Schimpfwort ist. Deshalb richtete er den Zeigefinger auf einen steil abfallenden Südosthang und sagte andächtig wie ein Pfarrer in der Kirche: »Dort werden wir beginnen. Gegen zehn – wenn es Ihnen recht ist, Mr. Carter.«
    Howard holte tief Luft. Er hatte Mühe, seinen Unmut zu verbergen. Schließlich erwiderte er: »Sir, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten, gegen zehn denken die Grabungsarbeiter zum ersten Mal daran, ihre Tätigkeit einzustellen. Während des Sommers wird von sechs Uhr morgens bis zwölf Uhr mittags gearbeitet, zur Winterzeit von sieben Uhr bis zwei Uhr mittags. Und was die von Ihnen ins Auge gefaßte Parzelle betrifft, würde ich empfehlen, nicht am Fuße des Abhanges anzusetzen, sondern in halber Höhe.«
    »Nein!« entgegnete Davis knapp.
    »Und warum nicht? Warum wollen Sie ausgerechnet am Fuße des Abhanges graben?« Howards Stimme klang wütend.
    Davis blickte zuerst auf seine Füße, dann hinauf zu der Stelle, die Carter empfahl, endlich antwortete er mit ernstem Gesicht: »Weil ich mir dort unten die Schuhe weniger schmutzig mache.«
    Einen Augenblick zweifelte Howard, ob er mit diesem exzentrischen Amerikaner je klarkommen würde, aber schon im nächsten Moment mahnte ihn eine innere Stimme, daß Theodore Davis ihm die einzig mögliche Chance bot, in seinen Beruf zurückzukehren. Deshalb setzte er ein künstliches Lächeln auf, und mit der Großzügigkeit eines Mannes, der nichts zu verlieren hat, antwortete er: »Wie Sie meinen, Sir!«
    Noch am selben Tag machte sich Carter mit einem Ledersäckchen voll Geld auf die Suche nach Arbeitskräften. Aber trotz großer Anstrengungen und heftigen Klimperns mit seinem Geldsack fand Howard nicht mehr als fünfzig Männer, die sich bereit erklärten, für Theodore Davis zu arbeiten.
    Am Morgen, noch lag ein grauer Schleier über dem Niltal, wurde Carter von donnerndem Lärm geweckt. Eilends schlüpfte er in seine Kleider und trat vor das Haus. Quer über die Weiden am Ufer des Flusses bewegte sich ein dampfendes, fauchendes Ungeheuer, ein eiserner Tatzelwurm mit einem langen Hals und vorne einem gierigen offenstehenden Maul, ein Dampfbagger, wie Howard ihn noch nie gesehen hatte. Er traute seinen Augen nicht. Das Ungetüm nahm Kurs auf das Tal der Könige. Obwohl er noch keine Schuhe anhatte, lief Carter dem Dampfbagger entgegen. Aus kurzer Entfernung erkannte er Theodore Davis im Führerhaus.
    Das ist nicht wahr, dachte Carter, du träumst! Mit ausgebreiteten Armen trat Howard der auf schweren Eisenraupen einherratternden Maschine entgegen.
    »Sind Sie verrückt, Mr. Carter?« rief Davis von seinem Kommandostand. »Aus dem Weg!«
    Howard fuchtelte wild in der Luft herum, und als der Dampfbagger endlich zischend zum Stillstand gekommen war, entgegnete er wütend: »Mr. Davis, das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Sie wollen doch nicht mit diesem Ungeheuer ins Tal der Könige?«
    »Warum nicht?« fragte der Amerikaner von oben herab. »Ich habe die Maschine für einen Monat gemietet. Sie sollte eigentlich zum Dammbau nach Assuan gebracht werden. Ich habe einfach das Doppelte bezahlt. Trotzdem ist es ein gutes Geschäft. Der Bagger leistet eine Arbeit von mindestens hundert Männern. Das ist eine einfache Rechnung.«
    Mit Engelszungen begann Howard auf Theodore Davis einzureden: »Sir, Sie können nicht mit dem Bagger in das Tal der Könige einfahren!«
    »Pah!« lachte der kleine Mann.

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