Der König von Luxor
süffisantem Grinsen, so, wie es seine Art war: »Mr. Davis, Mr. Carter wurde von der Altertümerverwaltung entlassen, weil er seine Aufsichtspflicht verletzt hat. Sie können diesen Beschluß nicht einfach umgehen. Meine Behörde wird Ihnen deshalb zwei junge Archäologen zur Verfügung stellen, Mr. Arthur Weigall und Mr. Edward Ayrton. Sie stehen ab morgen zu Ihrer Verfügung.«
Theodore Davis trat einen Schritt auf Brugsch zu und sagte drohend: »Und wenn ich mich weigere, mit diesen Herren zusammenzuarbeiten?«
»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun«, erwiderte Brugsch mit gesenktem Blick, was seiner Rede etwas Hinterhältiges verlieh. »In diesem Fall sähe sich meine Behörde nämlich gezwungen, Ihnen die Grabungskonzession zu entziehen.«
»Lassen Sie nur«, bemerkte Carter gelassen. »Ich gehe freiwillig.«
Brugsch streckte Davis die Hand entgegen und verabschiedete sich flüchtig.
Doch bevor er sich zum Gehen wandte, fragte Davis: »Woher wissen Sie eigentlich, daß Mr. Carter für mich arbeitet?«
Howard sah Brugsch erwartungsvoll an.
Brugsch zögerte einen Moment, dann antwortete er: »Ein gewisser Mr. Spink aus Luxor ließ uns die Nachricht zukommen. Ich kenne ihn nicht, aber offensichtlich war seine Meldung nicht falsch.«
In der folgenden Zeit hatte Howard Begleiter mit vielen Namen, von denen Schwermut und Verzweiflung die tiefsten Spuren in seiner Seele hinterließen. Er merkte nicht, wie er allmählich seine bürgerliche Existenz abstreifte und, als Sonderling verlacht, aber stets korrekt gekleidet, durch die Gegend zog. Howard malte wieder, er malte, was man von ihm verlangte, und machte Geschäfte mit Ausgrabungen. Nein, nicht der Hunger quälte ihn in dieser Zeit oder Existenzangst, es war die Einsamkeit, die Isoliertheit, die ihm zu schaffen machte.
Im stillen hatte Howard schon früher mit sich geredet, so wie es jeder tut, um eine schwierige Situation zu bewältigen; aber nun ertappte er sich immer öfter bei lautstarken Diskussionen mit einem Unbekannten – nur um mit einem Mal festzustellen, daß dieser Unbekannte er selbst war.
Jene, die bis vor kurzem mit ihm gut Freund waren, machten plötzlich einen großen Bogen um ihn, wenn sie ihn von weitem kommen sahen. Bisweilen, wenn er sich heimlich ins Tal der Könige stahl, fühlte er sich wie von Aussatz befallen, und weil er daran gewöhnt war, daß man ihm aus dem Wege ging, mied er wie unter Zwang auch jede Begegnung mit Fremden, die keine Hemmungen hatten, ihm gegenüberzutreten.
Der einzige, der ihm die Treue hielt, war Sayyed, der nichts unversucht ließ, um ihn aufzuheitern. Doch Carter war wie berauscht von seiner Schwermut. Und Schwermut bedarf der Einsamkeit. Gedankenverloren sah man ihn bei Einbruch der Dämmerung auf den Felsklippen sitzen, regungslos den Blick auf einen Punkt in der Ferne gerichtet, wie ein Standbild aus Stein.
Als sich das alte Jahrhundert verabschiedete, um einem neuen Platz zu machen, als die Ausgräber mit den Reichen aus aller Welt auf ihren Hausbooten feierten, als wäre es das letzte Mal, als rote und grüne Raketen und silbrige Sterne das Tal der Könige in märchenhaftes Licht tauchten, da saß Carter einsam in seinem Haus vor einer Kerze und hielt Zwiesprache mit dem Unbekannten aus Swaffham.
Ohne Spuren zu hinterlassen, ging die Zeit an ihm vorüber. Aus alten Zeitungen, vornehmlich der Egyptian Gazette, die Sayyed aus Luxor mitbrachte, erfuhr Howard, daß Oscar Wilde gestorben war, den er verehrte, und Queen Victoria, von der er geglaubt hatte, daß sie längst der englische Rasen deckte. Auch die Fertigstellung des Assuan-Dammes ließ ihn ungerührt, obwohl es nun überall in Ägypten elektrischen Strom gab. Er brauchte keinen.
Eines Abends im September, Howard saß wieder einmal auf den Felsen, hoch über Der-el-Bahari, und blickte hinüber ins Tal der Könige, da fühlte er, während er mit dem Unbekannten Zwiesprache hielt, eine Hand auf seiner Schulter. Howard erschrak. Er erschrak, wie man nur erschrecken kann, wenn man seit langer Zeit keinem Menschen begegnet ist.
»Mr. Davis!« rief er leise. »Sie hier? Ich habe Sie nicht kommen hören.«
»Das ist auch gut so. Sonst wären Sie mir ohnehin davongelaufen!« antwortete der Amerikaner ernst. »Wie geht es Ihnen, Mr. Carter?«
»Geht schon«, erwiderte Howard knapp. Die Frage war ihm unangenehm.
»Ich habe den Eindruck, daß Sie unter Ihrer Situation ziemlich leiden.«
»So, so.« Carter hielt den Blick starr
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