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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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geradeaus gerichtet.
    »Da haben wir etwas gemeinsam!«
    Howard sah Theodore Davis ins Gesicht. »Wollen Sie sich über mich lustig machen?«
    Davis ließ sich neben Carter auf dem Boden nieder. »Wenn ich mich zurückerinnere«, begann er und klopfte den Staub von seinen Hosenbeinen, »dann war die kurze Zeit, in der ich mit Ihnen zusammenarbeitete, am ergiebigsten.«
    »Freut mich zu hören«, antwortete Howard verbittert. »Aber man hat Ihnen zwei neue Leute geschickt!«
    »Weigall und Ayrton?« Davis machte eine abfällige Handbewegung. »Die können Sie vergessen.«
    »Es sind immerhin junge studierte Archäologen!«
    »Aber ohne jede Erfahrung. Wissen Sie, was wir in letzter Zeit entdeckt haben? – Nichts! – Jedenfalls nichts Nennenswertes.«
    Howard konnte seine Schadenfreude nicht verbergen und kicherte in sich hinein.
    »Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen, Mr. Carter!«
    Verärgert schüttelte Howard den Kopf: »Mr. Davis, es ist mir von höchster Stelle untersagt, irgend etwas im Tal der Könige zu unternehmen. Das wissen Sie genauso wie ich!«
    »Natürlich. Aber es braucht ja niemand zu wissen.«
    »Und wie soll das gehen, wenn ich mir die Frage erlauben darf?« Carter wurde neugierig.
    Davis blickte nach allen Seiten, ob es keine Ohrenzeugen gab; dann sagte er: »Mr. Carter, Sie sprechen besser Arabisch als mancher Ägypter, und Ihr Äußeres ähnelt mehr einem Scheich als einem englischen Ausgräber.«
    »Sehr freundlich«, entgegnete Carter ironisch und fuhr fort: »Wenn ich Sie recht verstehe, soll ich mich als Scheich verkleiden und so Ihre Grabungen leiten. Gar keine schlechte Idee.«
    »Ich würde Sie offiziell als Vorarbeiter einstellen. Natürlich müßten Mr. Weigall und Mr. Ayrton eingeweiht werden.«
    Howard rümpfte die Nase. »Und Sie glauben, die beiden würden mitspielen?«
    »Das glaube ich nicht nur, ich bin mir sogar sicher!« Davis zog ein Bündel zusammengerollter Dollarnoten aus der Tasche und hielt es Carter vors Gesicht.
    Carter grinste. Ihm gefiel der Schabernack, war er doch geeignet, ihn aus seiner Isolation herauszuholen. Darüber hinaus wollte er den Sesselfurzern in Kairo zeigen, daß er, und nur er, in der Lage war, dem Tal der Könige die letzten Geheimnisse zu entreißen.
    Sayyed besorgte ihm eine blütenweiße Galabija, einen ebensolchen Turban und ein Mundtuch zum Schutz vor Staub und Treibsand. So ausgerüstet und, weil es ihm gerade einfiel, mit dem Namen Scheich Ibrahim, trat er zwei Tage später seinen Dienst an. Nicht einmal jene Männer, die schon einmal mit ihm gearbeitet hatten, erkannten ihn. Sie staunten nur über den herrischen Kommandoton des Scheichs und darüber, daß sogar die Archäologen Weigall und Ayrton seinen Befehlen gehorchten.
    Mit Davis’ Einverständnis hatte Carter einen ziemlich absurden Entschluß gefaßt. Sechzig Meter nördlich des Thutmosis-Grabes klaffte ein Loch im brüchigen Gestein, zweifellos der Zugang zu einem Grab. Vor hundert Jahren schon hatte sich Napoleon während seines Ägypten-Feldzuges an diesem Stollen versucht, aber nach 26 Metern aufgegeben. Der Deutsche Richard Lepsius war 46 Meter tief vorgedrungen, dann warf auch er das Handtuch. Beide hatten vor dem Schutt kapituliert, mit dem der Felsstollen aufgefüllt worden war, Kalkstein-Schutt, der unter dem Einfluß von Regenwasser hart wie Beton geworden war und nur unter größten Anstrengungen herausgehackt werden konnte.
    Bereits nach wenigen Metern wurde erkennbar, daß dieser Stollen keinen geraden Weg nahm, sondern einen abwärts führenden Bogen beschrieb. Es mußte sich also um ein ganz außerordentliches Grab handeln.
    »Sie haben sicher einen Verdacht, Mr. Carter«, bemerkte Theodore Davis am Abend des ersten Tages. Howard legte den rechten Zeigefinger auf die Lippen und sagte: »Scheich Ibrahim, wenn ich bitten darf, Mr. Davis. Wir sollten unser Spiel so perfekt wie möglich spielen.«
    Davis machte die Andeutung einer Verbeugung. »Wollen Sie mir Ihren Verdacht nicht verraten?«
    Howard zog die Augenbrauen in die Höhe und erwiderte mit näselnder Stimme: »Ich werde Sie rechtzeitig von meinen Überlegungen in Kenntnis setzen, Sir.«
    Der Amerikaner reagierte verärgert. Er war nicht gewohnt, daß man so mit ihm umsprang. Dennoch antwortete er höflich: »Sie müssen sagen, wenn Sie mehr Arbeitskräfte benötigen, Mr. – äh, Scheich Ibrahim.«
    Howard wehrte ab. »Ein paar Arbeiter mehr nützen überhaupt nichts. Der Stollen ist so eng, daß für sie

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