Der König von Luxor
zwei Steinen darauf. Wie besessen schaufelten die Franzosen den Schutt beiseite und stießen schließlich auf eine kleine, kobaltblaue Statuette.
Mit bloßen Händen befreite Howard den vermeintlichen Fund von dem zuvor mühevoll aufgebrachten Kamelmist und eröffnete den stolzen Ausgräbern, es handle sich dabei um ein Fundstück aus dem Neuen Reich, dreieinhalbtausend Jahre alt. Der Altere der beiden weinte vor Ergriffenheit.
Zwei Tage später wiederholte sich der Vorgang mit neuen Akteuren. Wieder mahnte Howard zu äußerster Diskretion und forderte absolutes Stillschweigen über das Abenteuer. Im Falle ihrer Entdeckung drohe Gefängnis, und ägyptische Gefängnisse seien nicht gerade komfortabel.
Unter Howards Kunden befand sich auch Theodore Davis, ein Amerikaner von kleinem Wuchs und großem Vermögen. Er hatte in Chicago mit Kupfer viel Geld gemacht, aber das hinderte ihn nicht, sich im fernen Ägypten wie ein texanischer Cowboy zu kleiden, und auch Linda, seine attraktive Frau, streifte als Cowgirl verkleidet durchs Tal der Könige. Mr. und Mrs. Davis lebten auf dem Hausboot eines Freundes, das den Namen »Ischtar« trug und in diesen Tagen zum Schauplatz großer Feste wurde.
Kaum hatte Davis eine von Carters blauen Statuetten ausgegraben, da wurde er von jener Sucht befallen, die man Ausgräberei nennt – ein harmloses Wort für eine unheilbare Krankheit. Howard konnte jedenfalls gar nicht genug Funde im Sand vergraben, und dem Amerikaner war kein Stein zu schwer, kein Loch zu tief, um zum Erfolg zu kommen. Nachdem Carter seine besten Stücke – natürlich gegen gutes Geld – preisgegeben hatte, faßte Davis den Entschluß, trotz seiner 66 Jahre ein neues Leben zu beginnen und Ausgräber zu werden.
Howard brauchte drei Tage, bis er dem verrückten Amerikaner klargemacht hatte, daß man nicht einfach graben durfte, wo es einem einfiel, und daß man auch mit Geld nicht alles kaufen konnte. Doch das erwies sich als Irrtum. Geld regiert die Welt, und das gilt in besonderem Maße für die Archäologie.
Mit der Eisenbahn reiste Davis nach Kairo und kehrte zwei Tage später nach Luxor zurück, eine Grabungskonzession für das Tal der Könige in der Tasche. Die einzige Bedingung lautete, er müsse einen kundigen Ausgräber zu Rate ziehen.
Carter war sprachlos, als ihm der amerikanische Cowboy das Angebot machte, die Grabungsleitung zu übernehmen.
»Wann wollen Sie beginnen?« erkundigte sich Howard vorsichtig. »Und vor allem wo?«
»Wann?« fragte Davis erstaunt. »Noch heute! Und die Frage nach dem Wo können wohl besser Sie beantworten.«
Gemeinsam stapften Carter und Davis hinauf ins Tal der Könige.
»Es wird nicht leicht sein, genügend Arbeitskräfte zu bekommen«, meinte Howard, »Dr. Naville hält etwa vierhundert Leute in Beschlag, Sir Robert Mond und der Earl of Northampton unterhalten im Tal kleinere Grabungen mit jeweils fünfzig Leuten – es gibt keine Arbeiter mehr.«
»Was zahlt Dr. Naville?«
»Fünf Piaster am Tag.«
»Gut. Bieten Sie den Leuten fünfzehn.«
»Das ist das Dreifache, Sir!«
»Eben.«
Im Tal der Könige angelangt, wo sich zahlreiche Erdtrichter auftaten, als wären Riesenameisen am Werk gewesen, aber auch gemauerte Grabeingänge, die mit Eisengittern gesichert waren – inmitten dieser Wildnis blieb Howard stehen und stellte dem kleinen Amerikaner die Frage: »Wonach wollen Sie eigentlich graben, Mr. Davis?«
Davis legte die Stirn in Falten, als denke er angestrengt nach. Dann antwortete er: »Sie haben recht, junger Mann, darüber sollten wir uns Gedanken machen. Was schlagen Sie vor?«
Carter wiegte den Kopf hin und her. »Im Tal der Könige kann man eigentlich nur nach einem König suchen, ich meine nach dem Grab eines Königs oder eines Pharaos, wie die alten Ägypter ihre Herrscher nannten.«
»Also suchen wir nach einem Pharao. Machen Sie einen Vorschlag!«
»Wie wäre es mit dem vierten Thutmosis?«
»Gut.«
»Oder mit Tut-ench-Amun?«
»Auch gut.«
»Oder mit Hatschepsut?«
»Hatschepsut? Ist das nicht jene Lady, die den Terrassentempel von Der-el-Bahari gebaut hat, Mr. Carter?«
»Ganz recht. Ich glaube Ihren Einwand zu kennen, Sir. Sie fragen, ob eine Frau im Tal der Könige bestattet werden durfte. Dazu müssen Sie wissen: Der Pharao war das Gesetz. Und Hatschepsut war Pharao.«
»Und welche Anhaltspunkte gibt es für den einen oder anderen?«
»Ich will Ihnen keine Illusionen machen, Mr. Davis, aber wenn wir morgen mit dem Graben
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