Der König von Luxor
leid, Mr. Carter, ich bin Ihr Nachfolger.«
Betreten blickte Carter zur Seite. »Sie erwarten hoffentlich nicht, daß ich Sie beglückwünsche! Was das Haus hier betrifft, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß es mein persönliches Eigentum ist.« Und nachdem er den Fremden von Kopf bis Fuß gemustert hatte: »Vermutlich würde das Haus ohnehin nicht Ihren Ansprüchen genügen. Und jetzt lassen Sie mich in Frieden, ich habe zu arbeiten.«
Im nachhinein kam Howard diese Bemerkung ziemlich albern vor, denn wenn er jetzt eines hatte, dann war es Zeit. Die ersten Tage nach seiner Entlassung wußte er kaum etwas mit sich anzufangen. Carter war sich bewußt, daß es in Luxor mehr als einen gab, der seine Ablösung bejubelte.
Nach England zurückzukehren kam für Howard nicht mehr in Frage. Und beim Exploration Fund um Arbeit betteln? – Niemals! Selbst wenn er wieder Hunde und Katzen malen mußte, so fand er in Luxor mehr Kunden als in Swaffham.
Howard war schon eine seltsame Erscheinung, wenn er, meist ausnehmend gut gekleidet und mit breitem Panama-Hut, sein Gewehr in der einen, die Malutensilien in der anderen Hand, aus der Ferne die Ausgräber beobachtete, welche er einst zu beschäftigen hatte. Er mied jede Begegnung mit seiner Vergangenheit und hätte zeit- und ereignislos vor sich hin gelebt, wäre da nicht Sayyed gewesen, der ihn über alles auf dem laufenden hielt, was um ihn herum geschah.
Fürs erste malte er Postkarten, Ansichten von Luxor, den großen Hotels, von Kurna jenseits des Flusses und Der-el-Bahari. Sayyed verkaufte sie an Touristen. Das Geschäft lief nicht schlecht, erwies sich aber als mühsam. In mancher Woche mußte er froh sein, wenn ihm, nach Abzug von Sayyeds Anteil, gerade ein Pfund übrigblieb. Das reichte zum Leben; aber große Sprünge konnte er damit nicht machen.
Sayyed wäre nicht Sayyed gewesen, hätte er nicht einen Ausweg aus dieser verdrießlichen Situation gefunden.
Beim Anblick der gutbetuchten Europäer, die den Winter in Luxor verbrachten, und aus Langeweile den Nil überquerten, um planlos nach Schätzen zu suchen, meinte Sayyed an Howard gewandt: »Sie sind ein berühmter Archäologe, Carter-Effendi, Sie kennen das jenseitige Nilufer besser als jeder andere. Warum zeigen Sie diesen Leuten nicht gegen sattes Honorar die Stellen, wo etwas zu finden ist?«
Carter lachte über Sayyeds Naivität. »Wie stellst du dir das vor? Naville arbeitet mit vierhundert Leuten, und es ist ein Zufall, wenn er alle paar Monate eine Entdeckung macht.«
»Dann muß man dem Zufall eben nachhelfen.«
»Aha«, erwiderte Howard amüsiert. »Und wie habe ich mir das vorzustellen, junger Freund?«
»Ganz einfach, Carter-Effendi, Sie vergraben heute die Schätze, die morgen gefunden werden sollen. Die Schwarzhändler vor dem ›Winter-Palace‹ bieten viele Funde an, doch keiner will sie haben. Alle glauben, es sind Fälschungen. Wer aber selbst etwas aus der Erde holt, kommt überhaupt nicht auf die Idee, an der Echtheit seines Fundes zu zweifeln.« Dabei schaute er so treuherzig drein, daß Carter Mühe hatte, ernst zu bleiben.
Schließlich meinte er: »Du bist ein genialer Gauner, Sayyed, wirklich genial.«
»Sayyed ist kein Gauner!« protestierte dieser. »Sayyed ist nur klug. Ali sagt: Besser mit einem Klugen in die Hölle als mit einem Dummen ins Paradies.«
Die Idee erschien Howard so einzigartig, daß er den Entschluß faßte, sie umgehend in die Tat umzusetzen. In seinem Haus bewahrte er eine Kiste Uschebti auf, etwa handtellergroße Grabstatuetten und durchaus nicht ohne Wert. Er hatte sie bei seinen Grabungen hier und da und eher zufällig gefunden. Fünf oder sechs dieser Objekte vergrub er, gerade mal knietief, an verschiedenen Stellen und kennzeichnete sie mit besonders geformten Steinen. Alles andere versprach Sayyed, in die Wege zu leiten.
Am folgenden Tag erhielt Carter Besuch von zwei Franzosen aus Lyon, die sich höflich mit Namen vorstellten. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, legte jeder eine Fünf-Pfund-Note auf den Tisch und präsentierte eine Tasche mit Grabungswerkzeug.
Howard nickte generös.
Auf dem Weg zu seinem Grabungsort ermahnte er die Franzosen, daß sie niemandem von diesem Abenteuer berichten und eventuelle Funde keinem Menschen zeigen dürften. Denn natürlich sei die Sache illegal. Schließlich ließ Carter die beiden Männer, uneinsehbar hinter einer Sanddüne, eine gute Stunde graben, bis er sie auf einen unbedeutenden Erdhügel hinwies mit
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