Der König von Luxor
»Glauben Sie mir, Carter, die alten Pharaonen hätten ihre Gräber mit Baggern gebaut, wenn ihnen nur diese Maschinen zur Verfügung gestanden hätten. Was spricht dagegen?«
»Sie würden mehr zerstören, als Vorteile erlangen. Die Maschine wiegt mindestens zwanzig Tonnen. Sie würde jedes unentdeckte Gewölbe unter sich zum Einsturz bringen.«
»Nicht, wenn ich mich immer auf dem Weg halte.«
»Und wer sagt Ihnen, daß das Grab des Thutmosis, des Tut-ench-Amun oder der Hatschepsut nicht gerade unter dem Weg liegt?«
Davis wurde nachdenklich. »Meinen Sie wirklich?« fragte er schließlich, als hätte Howard ihm eine ganz und gar unglaubliche Geschichte erzählt.
»Im übrigen«, fügte Carter hinzu, »würde Ihnen die Altertümerverwaltung sofort die Konzession entziehen, Mr. Davis. Denn wenn Sie Ihren Vertrag genau studiert hätten, würden Sie einen Passus finden, der den Einsatz von Maschinen und schweren Gerätschaften verbietet. Das beste wird sein, Sie kehren wieder um und bringen das Ungeheuer dorthin zurück, wo Sie es hergeholt haben.«
Der Amerikaner spuckte in weitem Bogen ins Gras. »Hätten Sie mir auch eher sagen können«, meinte er mißmutig, und dabei verzog er das Gesicht, als hätte er Essig getrunken.
»Hätte ich«, erwiderte Carter, »wenn Sie mich gefragt hätten.«
Davis brummelte etwas in sich hinein, das sich wie ein leiser Fluch anhörte, allerdings tat er dies so verhalten, daß Howard ihn nicht verstand. Schließlich drehte er den Dampfbagger auf der Stelle, wobei er einen tiefen Trichter in das Erdreich bohrte, und fuhr in Richtung des Flusses davon.
Obwohl Howard an dem Vorfall keine Schuld traf, ging Davis mürrisch ans Werk. Doch seine Stimmung erhellte sich urplötzlich, als Howard schon nach drei Tagen unterhalb des Weges, der über das Gebirge nach Der-el-Bahari führt, auf ein Mauerwerk stieß.
»Was meinen Sie, Mr. Carter?« fragte Davis mit süßlicher Stimme, als wollte er den Gram der vergangenen Tage vergessen machen. »Sieht doch gut aus, oder?«
Howard hob die Schultern. »Wir werden sehen. Im Laufe der Jahre bin ich vorsichtig geworden mit Prognosen.«
»Ich werde den amerikanischen Konsul einladen, den Direktor der Altertümerverwaltung und den Kulturminister…«
»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun, Mr. Davis«, unterbrach Howard seinen Redefluß, und dann erzählte er dem Amerikaner, wie es ihm einst ergangen war und daß er sich noch heute dafür schäme.
Die Furcht des Amerikaners vor einer Blamage siegte schließlich über seine Ruhmsucht. Der Grabeingang, um einen solchen handelte es sich nämlich, wurde ohne Aufsehen geöffnet, und Davis war froh, auf seinen Grabungsleiter gehört zu haben. Schon der erste Blick in das Innere war enttäuschend. Zwar hatten sie wirklich das Grab eines Pharaos entdeckt, aber dieses war unscheinbar, klein und schon in alter Zeit ausgeraubt worden.
»Ich danke Ihnen, Mr. Carter, daß Sie mir diese Blamage erspart haben«, sagte Theodore Davis. Dabei konnte er seine Enttäuschung nicht verbergen. Nicht einmal der Hinweis, es handle sich um das Grab Thutmosis’ IV. vermochte ihn zu trösten.
»Sie haben sich mehr versprochen. Habe ich recht?« fragte Carter.
Davis nickte.
Da lachte Howard. »Geduld, Mr. Davis, ist die vornehmste Tugend des Ausgräbers.«
Die Kunde von der Entdeckung des Pharaonengrabes und daß Carter von Davis angeheuert worden war, gelangte schneller nach Kairo, als den beiden lieb sein konnte. Eine Woche später tauchte Emil Brugsch im Tal der Könige auf. Carter sah ihn schon von weitem kommen und ahnte nichts Gutes.
»Sie schon wieder!« rief er dem Deutschen von weitem entgegen. Das klang nicht gerade höflich, aber Brugsch war für Carter ein rotes Tuch.
»Ja, ich«, antwortete Brugsch im Näherkommen. »Ich habe den Auftrag, Ihnen mitzuteilen, daß die Altertümerverwaltung in Kairo Ihnen jede Ausgräbertätigkeit im Tal der Könige verbietet.«
Howard wurde blaß wie ein Leintuch. Wortlos bückte er sich, hob einen faustgroßen Stein auf und zielte auf den Deutschen. Da spürte er eine Hand, die seinen Arm festhielt.
»Machen Sie keinen Quatsch, Carter!« Davis nahm ihm den Stein aus der Hand. Und an Brugsch gewandt, sagte er: »Mister Carter arbeitet nicht für Ihre Behörde, sondern in meinem Auftrag. Und ich habe eine gültige Konzession für das Tal der Könige. Also verschwinden Sie!«
Brugsch hob den Kopf und blickte überheblich drein. Dann antwortete er mit
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