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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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ankündigte, er werde zwischen den Gräbern Ramses’ II. Merenptahs und Ramses’ VI. in diesem magischen Dreieck, nach Tut-ench-Amun graben, sobald der Krieg zu Ende sei. Im übrigen gebe es nicht den geringsten Zweifel, daß dies die richtige Stelle sei.
    Howards Behauptung entsprach eher einem Wunschdenken als seiner Überzeugung, die nur darauf fußte, daß in diesem Dreieck noch keine Ausgrabungen stattgefunden hatten. Noch stand ihm etwas Geld zur Verfügung, doch es gab keine Arbeitskräfte, mit denen er die Grabungen hätte fortsetzen können. Carter zählte die Tage. Das Alleinsein wurde beinahe unerträglich. Nachts schlief er nur noch für Augenblicke, die übrige Zeit döste er oder hielt Zwiegespräche mit dem vergessenen Pharao.
    Eines Nachts vernahm er, vertieft in schwermütige Gedanken, klagende Laute. Howard hatte längst den Sinn für die Realität verloren und war kaum noch in der Lage, zwischen seiner Einbildung und dem wahren Ablauf der Ereignisse zu unterscheiden. Deshalb maß er dem Jammern und Klagen zunächst keine Bedeutung bei, doch als es nicht enden wollte, als es herzzerreißend wurde wie die Traurigkeit eines Kindes, stand er auf und trat vor die Türe.
    Aus der Dunkelheit kam Carter eine weiße Katze entgegen, ein seltsames Tier, viel größer als eine gewöhnliche Katze und mit roten Augen, die furchterregend glühten. Was das Tier aber von anderen Artgenossen unterschied, war eine Eigenheit, die Howard nur von Wandreliefs in den Gräbern der Pharaonen kannte: Die Katze stolzierte auf zwei Beinen wie ein Mensch, und ihr aufrechter Körper hatte Ähnlichkeit mit dem einer jungen Frau.
    Als Carter sich ihr näherte, verstummten die Klagelaute, und das Tier sah ihn mit großen roten Augen an. In Katzenaugen zu lesen ist ein Ding der Unmöglichkeit, weil sie dem Menschen in guter wie in schlechter Absicht mit dem gleichen Ausdruck begegnen. Deshalb wich Howard zunächst zurück, unschlüssig, wie er sich dem seltsamen Wesen gegenüber verhalten sollte.
    »Ich bin Bastet«, hörte er die Katze plötzlich sagen, »die schönste aller Göttinnen nach Isis.«
    Carter erschrak. »Du bist ein Katzenvieh, nichts weiter«, rief Howard entsetzt. »Was willst du, noch dazu mitten in der Nacht?«
    »Ich will dich führen.«
    »Wohin willst du mich führen?«
    »Ich führe dich an das Ziel deiner Träume.«
    »Woher willst du meine Träume kennen, Katzenvieh?«
    »Du bist den Göttern des Landes kein Unbekannter. Sie beobachten dich, seit du zum ersten Mal deinen Fuß ins Tal der Könige gesetzt hast.«
    »Und was weißt du über mich, Bastet?«
    »Alles, Carter«, erwiderte die Katze. »Den Göttern entgeht nichts.«
    »Dann weißt du auch, wonach ich suche?«
    »Natürlich. Nach Tut-ench-Amun.«
    »Das dauert nun schon viel zu lange. Und ich weiß noch nicht einmal, ob ich auf der richtigen Fährte bin…«
    Die Katze strich sich über die Schnauze und hob den Kopf. »Du bist auf dem richtigen Weg, Carter. Eines Tages, in nicht allzuferner Zeit, wirst du den Pharao finden.«
    Da erhellten sich Carters Züge. »Ich wünschte, du hättest recht, Bastet.«
    Und mit einschmeichelnder Stimme erwiderte die Katze: »Ich habe recht, Carter. Götter irren nie.«
    Am nächsten Morgen konnte sich Howard nur noch schemenhaft an das Geschehen der vergangenen Nacht erinnern. Man hätte alles für einen Traum halten können, wäre da nicht auf seinem Bett die große weiße Katze gelegen.
    Mißtrauisch beäugte er das Tier von allen Seiten, während die Katze scheinbar ungerührt die Augen zusammenkniff.
    »Bastet!« rief Carter leise.
    Die Katze schreckte hoch und machte einen Satz unter den Tisch.
    »Bastet«, wiederholte Carter, diesmal heftiger, und kniete sich vor dem Tisch auf den Boden. »Hast du die Sprache verloren? Heute nacht warst du doch so redselig!«
    Die Katze schwieg.
    Auge in Auge mit dem Tier fragte Carter: »Du bist doch Bastet, die mir Erfolg prophezeit hat, oder?«
    Von der Katze kam keine Antwort.
    Carter war geneigt, das Tier fortzujagen. Katzen mochte er ohnehin nicht, hielt sie für falsch und unberechenbar. Aber Bastet wich nicht mehr von seiner Seite. Stumm verfolgte sie jede seiner Bewegungen, und sobald er einen Fuß vor die Türe setzte, trat sie an seine Seite.
    Wohl oder übel gewöhnte er sich an den neuen Hausgenossen, und allmählich wurde es Carter zur Selbstverständlichkeit, sich in Begleitung einer großen weißen Katze ins Tal der Könige zu begeben und dabei

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