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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Amhersts erfahren. Und das war das kleine Mädchen von damals? Hätte er Evelyn nicht erkannt, so hätte ihr Händedruck sie bei Howard in Erinnerung gebracht. Als sie ihn gar mit den Worten begrüßte: Bist du immer noch traurig, Mr. Carter?, und als sie ihn wie einen guten Freund umarmte, da wußte Howard nicht, wie ihm geschah, und er empfand ein wohlig warmes Gefühl, von dem er schon glaubte, daß es ihm abhanden gekommen war.
    »Wie schön du bist«, sagte Carter leise, so, daß es ihre Eltern nicht hören konnten. Evelyn trug ihr kurzes, brünettes Haar leicht gewellt. Ihr Gesicht mit den hellen Augen, den beinahe geradegezogenen Brauen und den schmalen Lippen wirkte edel und gepflegt wie auf dem Titelbild eines Modejournals. Howard war fasziniert.
    Übermütig bedankte sich Evelyn für das Kompliment, indem sie mit den Augen rollte, als wollte sie sagen: Nun übertreibe mal nicht. Doch das sagte sie nicht, sie meinte vielmehr: »Ich darf doch Howard sagen? Wir sind doch alte Freunde, nicht?«
    »Aber natürlich«, stotterte Howard und merkte, daß er immer noch ihre Hand hielt.
    Lady und Lord Carnarvon waren mit ihrem Gepäck beschäftigt, und so entging ihnen die innige Begegnung der beiden. Um das Gepäck der Fahrgäste aus England entstand eine regelrechte Prügelei unter den Kofferträgern, weil sich jeder ein großzügiges Trinkgeld erhoffte.
    Auf der Fahrt zum Hotel »Winter Palace«, die sie gemeinsam in einer Kutsche zurücklegten, saß Howard neben Evelyn, gegenüber von Lord Carnarvon. Zwischen Carter und Carnarvon entstand eine lebhafte Unterhaltung.
    »Hier hat sich kaum etwas verändert seit meinem letzten Aufenthalt«, bemerkte der Lord, während die Kutsche auf der Bahnhofstraße stadtauswärts fuhr.
    »Nein«, erwiderte Howard, »nur die Menschen sind anders geworden. Der Krieg hat sie noch ärmer gemacht. Die meisten sind froh, wenn sie überhaupt etwas zu essen haben.«
    Lord Carnarvon nickte mit einer gewissen Gleichgültigkeit. »Dann hatte der Krieg wenigstens einen Vorteil, die Arbeitskräfte sind billiger geworden. Und Sie, Mr. Carter?«
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    »Nun, was haben Sie im Krieg für England geleistet?«
    Howard räusperte sich verlegen, wobei er Evelyn einen flüchtigen Blick zuwarf, dann richtete er sich auf und erwiderte: »Ich diente dem Arab Bureau, dem zivilen Geheimdienst Seiner Majestät.«
    »Oh, wie aufregend! Mr. Carter ist ein Geheimagent!« Evelyn rückte näher an Howard heran, hakte sich bei ihm unter und rief: »Howard, du mußt uns von deinen geheimen Missionen berichten. Hast du auch eine Pistole?«
    Carter wurde die Situation allmählich unangenehm. Aber weil er sich nun schon einmal so hervorgetan hatte, antwortete er: »Aber gewiß, und einen Revolver und einen Karabiner neuester Bauart dazu. Was jedoch meine geheimen Missionen betrifft, so bin ich zu größter Verschwiegenheit verpflichtet.«
    Lord Carnarvon blickte lächelnd zur Seite, während Evelyn Carter mit bewundernden Blicken ansah. »Das war doch sicher sehr gefährlich!«
    Mit spitzem Mund erwiderte Howard: »Nun ja, auch nicht viel gefährlicher als meine Arbeit im Tal der Könige.«
    Da wandte sich der Lord seinem Ausgräber zu: »Wie sind Sie mit Ihrer Arbeit vorangekommen, Mr. Carter? Ich bin sicher, Sie haben eine Überraschung für uns parat. Habe ich recht?«
    »Überraschung?« Howard war irritiert. »Was meinen Sie, Mylord?«
    »Nun kommen Sie schon. Vermutlich verbringen Sie längst Ihre Nächte im Grab des Pharaos und haben Ihre Entdeckung bisher nur geheimgehalten.«
    Howard verhaspelte sich in seiner Rede: »Also mit dem Grab des Pharaos – wie soll ich sagen – ich bin nahe daran, aber…«
    »Was soll das heißen?« fiel Carnarvon ihm ins Wort. »Sie schrieben mir doch, die genaue Lage des Grabes sei Ihnen bekannt, und es sei nur noch eine Frage weniger Wochen oder Monate, bis Sie Tut-ench-Amun gefunden hätten. Seither sind beinahe zwei Jahre vergangen, Mr. Carter. Zwei Jahre, in denen ich Sie sehr anständig bezahlt habe dafür, daß Sie endlich etwas zutage fördern, etwas, was den hohen finanziellen Aufwand rechtfertigt, den ich in dieses Unternehmen gesteckt habe.«
    Während Carter sich in Zurückhaltung übte, kam ihm Lady Almina zu Hilfe: »›Porchy‹, du solltest Mr. Carter keine Vorwürfe machen. Erfolg läßt sich nicht erzwingen. Ich bin überzeugt, daß er gute Arbeit geleistet hat. Aber vielleicht hat es diesen seltsamen Pharao nie gegeben.

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